Wie kann aus dem Modell des Designdenkens eine greifbare Methode werden, die nicht nur auf dem Papier Neues entstehen lässt? Agentur-Chef und Wirtschaftsprofi Thomas Holzhuber nimmt die Schlüsselfaktoren unter die Lupe – und gibt Tipps für die Umsetzung.
Design Thinking ist ein Ansatz, der Unternehmen dabei unterstützt, Probleme zu lösen, aus Routineprozessen auszubrechen und auf effiziente Weise neue Lösungen zu kreieren. Er greift auf drei gleichwertige Grundprinzipien zurück: Team, Raum und Prozess.
1) Team
Um Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, werden oftmals hochspezialisierte Fachleute mit der Entwicklung betraut. Das Ergebnis: Die erarbeiteten Experten-Lösungen sind fallweise zu komplex und wenig anwenderorientiert – als Beispiel kann hier eine simple TV-Fernbedienung genannt werden, die gern über ein derart umfassendes Funktionsangebot verfügt, das den Nutzer überfordert. Wer hingegen eine Lösung entwickeln möchte, die den Anwender von Anfang an miteinbezieht und ergebnis- und feedbackoffen ist, geht mit dem Designdenken neue Wege. Als Fundament wird hier nämlich auf interdisziplinäre Teams aus verschiedenen Abteilungen, Fachrichtungen und Hierarchiestufen gebaut. Auch ein Mix aus internen Mitarbeitern und externen Teilnehmern oder Beratern ist hinsichtlich des Generierens verschiedener Blickwinkel erfolgsversprechend.
2) Raum
Im Zentrum steht hier ein „open space“ als inspirierender und offener Begegnungsraum, der zu kreativem Denken einlädt. Auch das Thema Dynamik spielt eine wichtige Rolle: Dynamische Ideen brauchen dynamischen Raum – und so sollte sich dieses Prinzip in einem Mix aus unterschiedlichen Möbeln wie Barhockern, Liegestühlen, Sitzwürfeln oder Stehpulten widerspiegeln. Weiteres Inventar: Whiteboards – oder eine ähnliche Möglichkeit, Ideen großflächig aufzumalen oder aufzuschreiben, eine Uhr zum Einhalten der vorgegebenen Prozesse sowie vielfältiges Bastelmaterial für das Darstellen von prototypischen Ideen. Für die konkrete Umsetzung bieten sich zwei Varianten: Zum einen können Unternehmen selbst einen solchen Raum einrichten und ihre kreativen Prozesse in dieses Setting übertragen, zum anderen nutzen viele Organisationen die Unterstützung eines externen Beraters oder einer Agentur, die Design-Thinking-Workshops anbietet und ein entsprechendes Umfeld zur Verfügung stellt.
3) Prozess
Umgesetzt wird das Design Thinking innerhalb eines definierten Prozesses: Dieser kann entweder als Sprint-Design stattfinden, wobei eine Aufgabenstellung definiert wird und diese in 5 Tagen komplett gelöst bzw. abgearbeitet wird. Oder es wird eine Projektzeit von ca. 4-12 Monaten definiert, wobei jedes in regelmäßig und definierten Intervallen stattfindende Meeting eine Teil-Aufgabenstellung bedient und diese in Design-Thinking-Bootcamp-Form gelöst wird. Die Bootcamps sind zeitlich limitiert und orientieren sich an folgendem iterativen Ablauf: Brainstorming von Ideen zur Lösung der Teil-Aufgabenstellung, Prototyping der Ideen, um die entwickelten Gedanken und Modelle greifbar zu machen (hier werden die Lösungen mit einfachen Bastelutensilien symbolisch erstellt) und anschließend Testen der Ideen in der Anwendergruppe mit Hilfe der gebastelten Prototypen. Das Feedback wird eingearbeitet und neue, darauf aufbauende Ideen und Prototypen erneut getestet. Das garantiert in jedem Schritt das Mitberücksichtigen des Anwenders und vermeidet praxisferne Lösungen.
Best practice: Effizienzsteigerung in der TV-Soap-Produktion
Fernsehautoren von TV-Soaps müssen Storys unter hohem Zeit- und Kostendruck entwickeln. Die Produktionsfirma Grundy UFA setzte ein interdisziplinäres Design-Thinking-Team aus den Bereichen Medizin, Betriebswirtschaft, Medien-, Kultur- und Kommunikationswissenschaft ein, mit dem Ziel, die Effizienz der Produktion zu steigern. Nach einer Beobachtungsphase erkannten die Design-Thinking-Experten folgende Herausforderungen: Die Autoren setzten auf alte Technologien wie Karteikarten und haben Probleme, ihre Ideen visuell darzustellen – gerade gegenüber anderen Schritten der Serienproduktion wie Schnitt und Post Production gibt es hier einen eindeutigen Technologienachteil. Als erster Lösungsprototyp wurden Legosteine eingesetzt, die das Visualisieren von Szenen schon deutlich erleichterten. Im Anschluss daran wurde eine Spezialsoftware entwickelt, die die Karteikarten und die damit verbundene Zettelwirtschaft mittels intuitivem Interface, Touchscreen und Sprachsteuerung ablöste.
Fünf gute Praxistipps
- Vermeiden Sie Hierarchien in allen Bereichen – zum Beispiel in der Zusammenstellung des Teams, in der Raumgestaltung oder der Sitzordnung.
- Zeitdruck ist King: Arbeiten Sie in kurzen Bootcamp-Sessions und führen Sie dabei ein striktes Zeitmanagement. Das ermöglicht zielorientiertes und effizientes Arbeiten und vermeidet langwierige Diskussionen ohne Ergebnis und das Phänomen von „Overmeetings“.
- Brechen Sie die Gesamtaufgabe in so kleine Einheiten herunter, dass sie in einer singulären Bootcamp Session gelöst werden können.
- Testen, testen, testen Sie Ihre prototypischen Lösungen in der Anwendergruppe und arbeiten Sie das Feedback so lange zirkulär ein, bis ein nutzeroptimales Ergebnis steht.
- Planen Sie immer auch eine Außensicht ein: Holen Sie sich Unterstützung in der Organisation und Umsetzung von Design-Thinking-Prozessen und nutzen Sie externes Know-how und externe Ressourcen.
Buchtipps zu Team, Raum, Prozess
Creative Confidence – Unleashing the creative potential within us all/ Tom Kelley & David Kelley
Make space – How to Set the Stage for Creative Collaboration /Scott Doorley & Scott Witthoft
Sprint – Wie man in nur 5 Tagen neue Ideen testet und Probleme löst/Jake Knapp mit John Zeratsky & Braden Kowitz
Über Thomas Holzhuber:
Digitalexperte und Wirtschaftsprofi Dr. Thomas Holzhuber gründete seine Online-Agentur "holzhuber impaction" 1994 als erste E-Consulting Agentur in Österreich. Als strategischer Berater ist er vor allem Experte in den Bereichen Digitale Trends, Design Thinking, Financial Technologies, E-Commerce, Big Data und Internet of Things.