Zweiteilige Artikelreihe zu den Themen Blockchain und Umwelt: Durch die sichere und permanente Aufzeichnung von ständig abrufbaren Daten, welche nicht unbemerkt manipuliert werden können, hat die Blockchain für den Umweltschutz ein besonders großes Potenzial. Darüber hinaus ist es auffällig, dass es viele Geschäftsmodelle gibt, die soziale und ökologische Probleme mit SDGs (Sustainable Development Goals) direkt angehen. In diesem ersten Teil unserer 2-teiligen Artikelserie stellen wir Ihnen die jüngsten Blockchain Initiativen und Anwendungen vor. Von Andreas Öser, Auditor und Assessor bei qualityaustria
Im September 2015 wurde von der internationalen Staatengemeinschaft (UN) ein Aktionsplan zur „Transformation unserer Welt“ beschlossen – die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Darin verpflichten sich alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, die beschlossenen 17 Ziele zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) bis zum Jahr 2030 zu verfolgen. Im Rahmen des New Green Deals der EU will man vor allem bei klimafreundlichen Industrien und sauberen Technologien eine Vorreiterrolle einnehmen. Dabei kann die Blockchain eine Schlüsseltechnologie auf dem langen Weg der Energiewende sein.
Die Blockchain hat aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs für das „Mining“ von Kryptowährungen (Proof-of-Work Algorithmus – PoW) keinen guten Ruf hinsichtlich ihrer Ökobilanz. Mittels PoW werden Transaktionen verifiziert und neue Coins generiert, was wiederum mit einem hohen Rechenaufwand verbunden ist.
Allerdings gibt es heutzutage viele Alternativen zum PoW, die weniger oder gar netto null Energie verbrauchen. Zum Beispiel kann auf einem vorhandenen Server eine Node (ein „Zugangspunkt“, vereinfacht gesprochen) eingerichtet werden. Diese verbraucht bei Verwendung aktueller Hardware einen maximal einstelligen Prozentsatz an Leistung.
Dabei zeichnet sich neben dem Einsatz von „Smart Contracts“ auch ein vermehrter Einsatz von „Token“ oder „Security Token“ ab. „Smart Contract“ bedeutet, dass unter bestimmten, vereinbarten und unveränderlichen Bedingungen ein Vertrag automatisch in Kraft gesetzt wird (gemäß dem „Wenn-Dann“ Prinzip). Ein Beispiel sind automatische Zahlungen bzw. das Verhindern von Zahlungsverzügen oder –unterschlagungen.
„Security Token“ fungieren als Anteil an einem Unternehmen bzw. gelten sie als eine Art „digitale Aktie“, die im Rahmen eines Security Token Offerings (STO) ausgegeben wird.
Aktuelle Blockchain-Initiativen und -Anwendungen
Überwachung der Lieferketten
Die Überwachung der Lieferketten ermöglicht es, minderwertige Produkte früher zu identifizieren. Das Ausmaß der Neuproduktionen und Rückrufe kann so reduziert werden, wodurch ein positiver Effekt für die Treibhausgasbilanz und andere Ressourcen geschaffen wird.
Ein wichtiger Grund für Umweltkrisen liegt nämlich auch im fehlenden Vertrauen zwischen den Akteuren einer globalisierten Welt, in der Konsumenten und Erzeuger eine immer größer werdende Distanz voneinander haben. Diese Distanz fördert Betrugsrisiken und Intransparenz. Gleichzeitig gilt: je mehr Zwischenstationen ein Konsumgut durchläuft, desto größer die Risiken. Die Blockchain kann hier einen enormen Beitrag leisten, indem sie verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellt. In einer Blockchain sorgt der Algorithmus dafür, dass alle Transaktionen verifiziert werden und im Nachhinein nicht mehr verändert werden können.
Sei es im Bereich Industrie-Rohstoffe, Autobau, beim Weg vom Fang des Thunfischs bis zum heimischen Verbraucher oder der Lieferkette vom Rohstoff Holz zum fertigen Produkt: immer mehr Organisationen setzen bei der Überprüfung ihrer Lieferketten auf Unterstützung in Form von Blockchain-Lösungen.
Beispiel Lieferkette Stahl
Das österreichische Blockchain Start Up S1Seven sieht Stahl und Metall als zwei der wichtigsten Industrie-Rohstoffe mit Anwendungen in unterschiedlichsten Branchen. Damit gehen ständig steigende Anforderungen an eine nachvollziehbare und rückverfolgbare Qualitätsdokumentation einher.
Die Dokumentation für metallische Halbzeuge erfolgt über so genannte Materialprüfbescheinigungen. Diese sind vom Hersteller verpflichtend auszustellen. In diesen Prüfbescheinigungen werden die Material- und Herkunftseigenschaften der konkret gelieferten Charge beschrieben und durch Stempel und Unterschrift bestätigt. Dieser Prozess wird mittels Blockchain-Technologie digitalisiert, um Papierdokumente durch rückverfolgbare, fälschungssichere sowie digitale Aufzeichnungen zu ersetzen. Es geht also um lückenlose Rückverfolgbarkeit – ermöglicht auf Basis einer Blockchain.
Beispiel Fahrzeug Lieferkette
Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in Notebooks, Smartphones oder auch Elektroautos genutzt werden, benötigen Kobalt. Das Problem: Häufig wird der Rohstoff unter katastrophalen Bedingungen gefördert. Außerdem stammen die verwendeten Akkus in aller Regel von Zulieferern, wodurch die Rückverfolgung der genutzten Rohstoffe erschwert wird. Volvo will dem Problem jetzt auf technischer Basis begegnen und dazu die gesamte Kobalt-Lieferkette in Form einer Blockchain abbilden.
Volvo kooperiert dazu mit den beiden Akkuherstellern CATL aus China und LG Chem aus Südkorea. Beide setzen auf eine eigene Blockchain, in der jeweils die Herkunft des Kobalts, Angaben wie Gewicht und Größe sowie Belege dafür, dass beim Abbau und Transport die OECD-Lieferkettenrichtlinien eingehalten wurden, vermerkt sind. So will der schwedische Autobauer sicherstellen, dass in den Fahrzeugen des Konzerns kein Kobalt verwendet wird, bei dessen Abbau Menschenrechte verletzt oder gängige Umwelt- und Arbeitsstandards ignoriert wurden.
Dass die Lieferketten transparenter werden müssen, sehen auch andere Fahrzeughersteller, wie z. B. BMW. Dafür hat der Autokonzern interessierte Unternehmen eingeladen, sich einer Initiative anzuschließen, in der rund 120 führende Auto-, Mobilitäts- und Technologieunternehmen 2018 die "Mobility Open Blockchain Initiative" (Mobi) gegründet haben. Das Ziel: Blockchain in diesem Sektor gemeinsam zum Durchbruch zu verhelfen. BMW leitet in dieser Initiative bereits eine Arbeitsgruppe zum Thema „Lieferketten“. Um das Potenzial einer offenen Plattform vollständig auszuschöpfen, sind jedoch gemeinsame Standards nötig.
Beispiel Lieferkette Fisch
Im Handel gibt es unter anderem Anwendungen, die verantwortungsvoll gefangenen Fisch nachverfolgbar machen und Öko-Zertifizierungen nachweisen. Beispielsweise wird hier die Blockchain genutzt, um den Weg vom Thunfisch, seinen Fanggebieten vor Indonesien bis zum heimischen Verbraucher genau zu dokumentieren.
Dazu senden registrierte Fischer eine einfache SMS, um ihren Fang aufzunehmen und gleichzeitig einen digitalen Wert in der Blockchain zu erzeugen. Jede Transaktion in der Lieferkette – von einem Akteur zum Nächsten – erzeugt einen unveränderbaren Eintrag in der Blockchain, wodurch sich der Weg vom Fischer bis zum Endkunden später zweifelsfrei zurückverfolgen lässt.
Beispiel Lieferkette Wald
Das internationale Waldzertifizierungssystem PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), das nach eigenen Angaben weltweit 265 Millionen Hektar Wald zertifiziert, hat in einem Pilotprojekt die Blockchain als Alternative untersucht, um den Weg des Holzes vom Rohstoff bis zum gebrauchsfertigen Endprodukt verfolgen zu können.
Produktfälschungen und Arbeitsbedingungen
Ein weiteres wichtiges Thema ist Fälschungsschutz. Produktfälschungen sind oft sehr stark schadstoffbelastet und stellen deshalb eine Gefahr für die Umwelt dar. Der Fälschungsschutz und die Nachverfolgung der Produktion haben neben ökologischen auch ethische Komponenten.
Vom Verbraucherschutz abgesehen, kann die Blockchain sicherstellen, dass Waren unter verantwortungsvollen Bedingungen produziert wurden. Nicht nur im Fair-Trade-Warensegment etablieren sich diese Lösungen nach und nach und gewährleisten menschenrechtskonforme und faire Arbeitsbedingungen.
Fahrverhalten
Andererseits kann Blockchain aber auch einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten. So hat zum Beispiel der Automobilhersteller Daimler ein Pilotprojekt gestartet, das umweltfreundliches Fahrverhalten auf einer Blockchain aufzeichnet und durch eine Kryptowährung belohnt.
Fahrzeugvermietung – Car Sharing
Das Wiener Start Up Eloop brachte ein Car Sharing-System für E-Autos auf den Markt. Den Sharing-Aspekt will Eloop über einen Security Token noch stärker umsetzen als es alle Mitbewerber tun. Denn mit dem Security Token kaufen User einen Anteil an der Flotte und damit auch eine Umsatzbeteiligung.
Anhand dieser ersten Beispiele zeigt sich bereits, dass Blockchain-Technologien an vielen Stellen zum Zweck von Umweltschutz und Nachhaltigkeit eingesetzt werden können. Ausgelöst durch stetige Erwartungen an umweltbewusste Handlungen und Positionierungen von Unternehmen, dürfen wir uns auf weitere Entwicklungen im Spannungsfeld aus Technologie und Umwelt freuen!
Weitere Best Practice Beispiele stellen wir Ihnen in Teil 2 "Best Practices: Potenzial von Blockchain-Lösungen im Umweltbereich" dieser Artikelreihe vor (Link)!
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