Die Anhörungen der designierten Kommissare forderte wie erwartet ein „Opfer“. Mit der Neubesetzung der slowenischen Kommissarin wird sich möglicherweise auch der Antrittsbeginn der neuen Kommission um ein paar Wochen verzögern. Nicht lange aufschieben lassen sich jedoch zwei große Streitpunkte rund um Geld und Mitsprache.
Aus Sicht der Mitgliedstaaten stellte sich es sich so dar: Das Europaparlament hatte schon „seinen“ Kommissionspräsidenten durchgesetzt (der Rat im Gegenzug den Parlamentspräsidenten bestimmt, Anm.). Nun wird das Parlament doch nicht große Probleme bereiten, wenn es um die Bestätigung der designierten Kommissare geht. Das Vorschlagsrecht dazu liegt noch immer bei den Hauptstädten. Umso überraschter sollen manche dort gewesen sein, als das Parlament sich anschickte, einzelne Kandidaten durchfallen zu lassen.
Starke Teams werden den Ton angeben. Durch die notwendige Neubesetzung wird sich der Zeitplan möglicherweise ein wenig nach hinten verschieben. Bis Jahresende wird jedenfalls die neue Kommission ihre Arbeit jedoch begonnen haben. Dann wird sich auch bald zeigen, wie die neue Struktur mit den Vizepräsidenten und den Fachkommissaren, die ja in „Cluster“ zusammenarbeiten sollen, in der Praxis gestaltet. Eines wird relativ rasch klar sein: Wer gut im (seinem) Team zurecht kommt, wird auch innerhalb der Kommission, aber auch gegenüber den beiden anderen Institutionen Rat und Parlament stark sein. Kommissare als Einzelgänger werden es schwerer haben als in der Vergangenheit, ihre Position durch zu setzen.
Eine Schlüsselrolle kommt hier Frans Timmermans als Art „Kanzleramtsminister“ zu. Wer seine Anhörung im Parlament verfolgt hat, konnte sich rasch ein Bild machen von den „social skills“ des früheren Außenministers von den Niederlanden, der fließend in sechs (!) Sprachen parlieren konnte. Man hat aber wohl auch den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten für die nächsten Europawahlen 2019 sehen, denn an Timmermans führt wohl nur schwer ein Weg vorbei.
Zwei Streitfragen: Geld und Mitsprache. Mit der Ankündigung von Präsident Juncker, ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionspaket schnüren zu wollen, hat dieser übrigens schon den ersten großen Testfall für die Beziehungen zwischen den Institutionen eröffnet. Prompt wird intensiv darüber diskutiert, woher das Geld dafür kommen soll. Ein Teil werden wohl bereits verplante Budgetmittel aus dem mehrjährigen Finanzrahmen sein, doch müssen sicher neue Geldquellen in Europa angezapft werden, will man auf diese Summe kommen. Und das Geld liegt noch immer überwiegend in den Schatullen der Mitgliedstaaten (oder auch nicht, wenn man die Schuldenquoten der Staaten kennt). Für viele Regierungschefs eine Zwickmühle: Sollen sie wirklich Geld nach Brüssel überweisen, damit es möglicherweise in anderen Ländern investiert wird, während man selbst Sparpakete schnürt?
Die zweite große Streitfrage, die auf uns zukommt: Sollen die zwischenstaatlichen Regeln, die die EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen fünf Jahren bilateral eingegangen sind (Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM etc.) vergemeinschaftet werden oder nicht? Für mache eine theoretische Frage, für Kommission und vor allem Parlament eine Machtfrage. Denn mit Gemeinschaftsrecht kommt das Mitsprache- und letztendlich Mitentscheidungsrecht. Das Parlament drängt auf mehr Kompetenzen – für viele Hauptstädte wohl eine Horrorvorstellung…