Der designierte Kommissionspräsident hat vor kurzem sein Team vorgestellt. Sowohl bei der Ressortaufteilung als auch bei der Struktur geht Juncker neue Wege. In Zukunft sollen sieben Vizepräsidenten die Arbeit der übrigen Kommissare »koordinieren«. Das kann entweder eine Revolution oder ein Flop werden. Fest steht: Juncker will die Macht weg vom Rat, hin zur Kommission lenken.
Es gilt eigentlich die eiserne Regel: ein Land, ein Kommissar. Die Kommissare sind formell gleichberechtigt, aber Herkunftsland und Dossier bestimmen die »natürliche« Rangordnung. Doch dieses Mal ist alles anders. Juncker machte von Anfang an deutlich: Wenn ein Land eine Frau (oder einen ranghohen Politiker wie etwa einen Ex-Premier) nominiert, kann es mit einem bedeutenden Ressort rechnen. So haben Slowenien oder Schweden als mittelkleine Länder punkten können. Johannes Hahn hat mit Nachbarschaftspolitik ebenfalls ein sensibles und relevantes Dossier bekommen. Fast noch revolutionärer ist jedoch die neue Struktur der Kommission. Sieben Vizepräsidenten sind als »Koordinatoren« nicht einer Generaldirektion, sondern einem Themencluster zugeordnet. Sie sollen in Zukunft die Aktivitäten der ihnen zugeteilten Kommissare dirigieren und Zielkonflikte vermeiden. Außerdem können Gesetzesvorlagen nur mit ihrem Junktim auf die Tagesordnung der wöchentlichen Kommissarssitzung, dem Kollegium, kommen. Damit wird unter den Kommissaren de facto eine »Zweiklassengesellschaft« eingeführt.
Revolution oder Flop. Diese neue Struktur hat einigen Charme: So kann sich der Themenbereich, den die Vizepräsidenten verantworten, je nach Notwendigkeit oder Priorität ändern. Die Kommission kann so klar in Richtung Bürgerinnen und Bürger kommunizieren, welche Schwerpunkte sie in ihrer Arbeit für Europa setzen will. Das Narrativ dazu ist durch die Struktur logischer und leichter vermittelbar. Diese Struktur ist in meinen Augen auch eine gute Alternative zu der angedachten Verkleinerung der Kommission und Rotation unter den Mitgliedstaaten. Denn dies wäre in fünf Jahren wohl unvermeidbar gewesen. Der neue Aufbau und die Rollenverteilung bergen natürlich auch Sprengstoff. Die »Filterfunktion« der Vizepräsidenten muss erst durch die anderen Kommissare akzeptiert werden. Daher hat Juncker bei der Präsentation schon präventiv »Teamgeist statt Eifersüchteleien« eingemahnt. Es wird viel Kommunikation und Leadership nach innen brauchen, um den Teamgeist entstehen zu lassen.
Kommission zurück im Fahrersitz? Regelmäßige Leser der Kolumne erinnern sich vielleicht an eine frühere Analyse in diesem Jahr: Die Kommission verlor in Augen des Autors in den letzten fünf Jahren kontinuierlich Gestaltungskompetenz zu Ungunsten des Europäischen Rates, also der Staats- und Regierungschefs. Auch wenn der Alltag die Kommission einholen wird und die neue Struktur möglicherweise erst reifen muss: Juncker macht damit deutlich, dass er aus der Kommission wieder einen Gestalter und weniger Verwalter machen will. Juncker streute bei der Präsentation seines Teams einer anderen Institution auffallend viele Rosen: nicht dem Rat (aus dem er als Ex-Premier Luxemburgs kommt), sondern dem Europaparlament. Er weiß, dass er das Parlament benötigt, um zunächst seine Mannschaft bestätigt zu bekommen (was abzuwarten bleibt), und dass nur ein starkes Zusammenspiel zwischen Kommission und Parlament ein effektives Gegengewicht zu den Staats- und Regierungschefs bedeutet. n