Die Entwicklung eines zur Cloud passenden Datenschutzrahmens.
"All your data are belong to us", urteilt ein US-Gericht – und bringt die IT-Industrie des Landes damit in eine katastrophale Lage. So schreibt das Online Magazin heise vor kurzem zu dem Urteil eines US-Gerichts, das in zweiter Instanz von Microsoft Zugriff auf Daten für eine Ermittlung gegen Drogenhändler verlangt.
Generell gilt nun, dass ein Unternehmen der Gerichtsbarkeit am Standort seines Sitzes unterliegt. Dazu gehört auch der Standort des Rechenzentrums. Das heißt, ein österreichisches Unternehmen mit einer Niederlassung oder einem RZ in den USA unterliegt selbstverständlich dem US-Recht. Das jeweilige Recht am Standort der Niederlassung gilt genauso für Unternehmen, die in Frankreich, Deutschland oder England Niederlassungen haben.
Die Richterin in dem genannten Urteil meinte nun, dass es darum ginge, wer die Information kontrolliere, und nicht darum, wo die Daten liegen würden. Und ganz Unrecht hat sie damit ja nicht, denn auch das europäische Datenschutzrecht unterscheidet nur zwischen dem Data-Owner und dem Datacontroller.
Europa hat ja bekanntermaßen sehr klare Vorschriften, was ein Datacontroller – also jenes Unternehmen, das personenbezogene Daten verarbeitet – einzuhalten hat:
Die für die Verarbeitung Verantwortlichen müssen die Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz aller Personen schützen, deren Daten ihnen anvertraut werden:
• Sie dürfen nur dann personenbezogene Daten erfassen und verarbeiten, wenn dies gesetzlich erlaubt ist.
• Sie müssen bestimmte Verpflichtungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten einhalten.
• Sie müssen Beschwerden nachgehen, die Verstöße gegen die Datenschutzrichtlinien betreffen, und sie müssen mit den nationalen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten.
Um es US-Unternehmen auch zu ermöglichen, trotz dieser strikten Bestimmungen mit europäischen Kunden Geschäfte zu machen und damit auch Datacontroller für personenbezogene Daten europäischer Data-Owner zu werden, wurde vor 14 Jahren Safe Harbour erfunden: eine selbstauferlegte Verpflichtung von US-Unternehmen, sich an die Datenschutzbestimmungen im Land des Data-Owners zu halten. Bei näherem Hinschauen wird aber klar, dass Safe Harbour nur teilweise sinnvoll ist, denn die Einträge im US-Handelsregister waren Selbstauskünfte der Unternehmen ohne Überprüfung. In Europa verlangt man da mehr Sicherheit und Nachweise.
Der zweite Zugang zum europäischen Kunden für US-Unternehmen war dann noch die Gründung eines Tochterunternehmens in Europa. Damit zeigen US-Unternehmen, dass sie sich bereitwillig dem europäischen und Landesrecht unterwerfen. Eigentlich ein sehr lobenswerter Schritt von US–Unternehmen, um bei europäischen Kunden Vertrauen in die eigenen Cloudservices aufzubauen.
Das amerikanische Urteil ist nun deshalb so interessant, weil es amerikanisches Recht auf ein Unternehmen appliziert, das in Europa seinen Sitz hat (die Niederlassung eines amerikanischen Mutterunternehmens). Äquivalent dazu wäre, wenn ein österreichisches Gericht ein Unternehmen in New York dessen Konzernmutter in Österreich firmiert zu einer Handlung zwingt, die nach österreichischem Recht erlaubt wäre, aber vielleicht nicht nach amerikanischem. Die Richterin argumentiert ja, dass die Konzernmutter der Datacontroller ist und nicht das Tochterunternehmen mit Sitz in der EU.
Weil das Gericht als Druckmittel vermutlich den amerikanischen Mutterkonzern verwendet, ist die Kernfrage, ob landesspezifische Gerichtsbarkeit einfach auf andere Länder ausgeweitet werden darf. Das ist grundsätzlich zu bezweifeln und vor allem deshalb abzulehnen, weil das jeweilige Unternehmen nur wenige Möglichkeiten hat, sich gegen einen solchen Zugriff zu wehren. Und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil das Unternehmen gar keinen Rechtsstatus im anderen Land hat, um in einem Gerichtsfall Parteistellung zu erhalten.
Zugriffe von staatlichen Verfolgungsbehörden, die auf Basis einer rechtlichen Grundlage und einer eventuell auch erforderlichen gerichtlichen Entscheidung erfolgen, gibt es in Deutschland oder England genauso häufig wie in den USA, und kein rationell denkender Mensch wird gegen ein solches Vorgehen eines demokratischen und rechtsstaatlichen Landes einen Einwand haben.
Auf der anderen Seite jedoch ist klar, dass eine grenzenlose IT und eine grenzenlose Cloud technische Rahmen schaffen, die von rechtlichen Regeln noch nicht vollständig und passend erfasst wurden. Wie in jeder industriellen Revolution hinkt die soziale und juristische Adaption der technischen hinterher.
Ist man also grundsätzlich der Meinung, dass es möglich sein muss, Firmen oder Personen, die Cloudservices für verbrecherische Aktivitäten verwenden (z. B. Geldwäsche, Planung von terroristischen Anschlägen oder internationalen Drogennetzwerken), durch die Strafverfolgungsbehörden eines Landes auch international zu verfolgen, dann muss man auch entsprechende Mechanismen erlauben. Also beispielsweise einer Behörde ermöglichen, in Kooperation mit anderen Behörden in einem anderen Land rasch auf Daten und Kommunikationsprotokolle zuzugreifen, wenn dies erforderlich ist.
Ich unterstütze daher zuallererst die Etablierung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens in diesem Zusammenhang. Alleine das würde die Rechtsfrage in Europa vereinfachen und es auch für andere Länder einfacher machen, europäische Interessen und Ansprüche zu verstehen und zu berücksichtigen.