By Helmut Fallmann on Mittwoch, 18. Dezember 2013
Category: Europa

Europäische Cloud gewinnt an Konturen

Schon in der Zeit „vor Snowden“ haben die politischen Entscheidungsträger in der Europäischen Union erkannt, dass die industrielle Entwicklung einer transnationalen Cloud-Plattform wohl zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen digitalen Binnenmarkt gehört. Die Umsetzung dieses zukunftsfähigen Modells für das gesamte Datenmanagement muss aber auf Basis offener Standards erfolgen, wenn das Wertschöpfungspotenzial von Cloud Computing in vollem Umfang abgeschöpft werden soll. Die Kommission geht in ihrer Cloud-Strategie von 2,5 Millionen möglichen neuen Jobs in der EU und einem realisierbaren Gesamt-Boost auf das Bruttoinlandsprodukt von 160 Milliarden Euro bis 2020 aus.

Im „Europa der Vielfalt“ ist das größte Problem bei nahezu allen relevanten Entwicklungen – so auch in der Querschnitts- und General Purpose Technologie ICT – keineswegs mangelnde  wissenschaftliche Innovationskraft. Die Schwierigkeiten liegen eher in der langsamen  Kommerzialisierung von F&E-Ergebnissen und in der traditionell aus den Nationalstaaten heraus entstandenen, oft sehr resistenten Fragmentierung der Märkte. In der IKT hat die in vielen Ländern erst sehr spät umgesetzte Liberalisierung monopolistische Marktstrukturen sogar noch einzementiert.

Eine wirklich europäische Cloud braucht aber den gemeinsamen Markt und technologische Standards, die eine größtmögliche Interoperabilität zwischen Plattformen verschiedener Anbieter sicherstellen. Die Union bekräftigt im Falle von Cloud Computing, dass der Lösungsweg hier nicht in der infrastrukturellen Verdichtung auf nur eine einzige zentrale Ressource gesucht wird, sondern in einer Harmonisierung der technischen Spezifikationen, die einen Zusammenschluss von verschiedenen Angeboten erlauben. Eine solche Strategie kann Synergieeffekte im Sinne der Verbreitung und laufenden Verbesserung des Serviceangebotes auf gesamteuropäischer Ebene auslösen, ohne den Wettbewerb von Anbietern einzuschränken.

Mit einer europäischen Cloud oder besser mit „United Clouds of Europe“, wie wir bei der Fabasoft AG diese Vision nennen, kann es Europa auch gelingen, die Umsetzung des digitalen Binnenmarktes zu beschleunigen, weil klar spezifizierte technologische Standards (Datenbanken, Schnittstellen etc.) in diesem fortschrittlichsten IKT-Segment auch vielfältige Impulse für eine bestmögliche Gestaltung der Rahmenbedingungen im Bereich Infrastruktur und Recht auslösen.

Fabasoft hat als einer der führenden Anbieter von B2B-Cloud-Lösungen schon immer die europäische Perspektive im Auge gehabt und bereits im Herbst 2012 begrüßt, dass die Europäische Kommission zur Freisetzung der ökonomischen Chancen von Cloud Computing eine eigene Strategie formuliert hat. Sie hat sich in dieser „Kommunikation“ an das Parlament, den Rat und die Komitees für Wirtschaft und Soziales sowie der Regionen auf drei Hauptstoßrichtungen konzentriert: Durchforsten des Dschungels an Standards, sichere und faire Vertragsbedingungen und Konditionen sowie die Förderung von Leadership der öffentlichen Hand bei der Nutzung von IKT aus einer europäischen Cloud.

In allen drei Handlungsfeldern ist es binnen Jahresfrist unter Einbindung renommierter externer Partner gelungen, Fortschritte und Erfolge zu erzielen. Im Hinblick auf die Standardisierung und Spezifizierung von technologischen Parametern hat die Kommission letztes Jahr ETSI (European Telecommunications Standards Institute) mit Sitz in Sophia Antipolis bei Nizza mit einem Initialprojekt beauftragt. Das Normungsinstitut sollte die im Hinblick auf Cloud Computing wichtigen Akteure in Europa und die praktizierten Use Cases auflisten sowie bestehende Spezifikationen identifizieren und allfällige Defizite herausarbeiten.

Im November 2012 hat ETSI „Clouds Standards Coordination“ gelauncht und Anfang Dezember in Cannes eine Brainstorming Session zu den großen Cloud Themenblöcken „Sicherheit und Schutz der Privatspäre“, „Interoperabilität“, „Datenportablität“, „SLA (Service Level Agreement)“ und „Datenumkehrbarkeit“ (Datenrückgabe) mit internationalen IKT-Experten diskutiert.

Auf Basis dieses Fact-Findings wurde dann das von der Europäischen Kommission angefragte Mapping von Stakeholdern (Organisationen, Individuen), Nutzern und regulativen Behörden mit Bedeutung für Cloud Computing, 100 Variationen möglicher Cloud-Dienste und rund 20 Standardisierungsorganisationen, die bereits Spezifikationen ausgearbeitet oder Whitebooks herausgegeben haben, klassifiziert. Im Sommer 2013 übermittelte ETSI vorläufige Ergebnisse und dieser Tage die Endversion an die Europäische Kommission.

Im Bereich des zweiten Schwerpunkts „Faire Vertragsbedingungen“ hat die Kommission die ENISA (European Union Agency for Network and Information Security) zur Mitarbeit eingeladen, um die „Cloud Select Industry Group“ (C-SIG) bei der Erarbeitung von Zertifikationsschemata zu unterstützen. In diesem Punkt geht es nicht so sehr um eine Vereinheitlichung der schon existierenden Zertifikationsschemata, an der sich Cloud-Anbieter freiwillig ausrichten können, sondern eher um die Schaffung einer größeren Transparenz. Als Output aus der Kooperation soll es eine objektive Liste der Zertifizierungsanbieter und der angewandten Prozesse geben.

Das dritte Schlüsselthema für die Weiterentwicklung des europäischen Cloud-Gedankens wurde mit der Schaffung einer „European Cloud Partnership“ adressiert, mit der Industrieexperten und der öffentliche Sektor zusammengeschlossen werden sollen, um gemeinsam Beschaffungserfordernisse für Cloud Computing zu definieren und den Einsatz von Cloud-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung zu stimulieren. Teil dieser Partnerschaft ist auch die „Cloud-for-Europe“ (C4E) Initiative, die es öffentlichen europäischen Einrichtungen erleichtern soll, Cloud-Applikationen anzuschaffen, Services anzubieten und das Vertrauen der Bürger in Cloud Computing zu stärken.

Am 12. Dezember 2013 hat die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, die Öffentlichkeit in ihrem Blog über das bislang Erreichte in Sachen Cloud Standardisierung informiert. Ich kann dieser großen Europäerin und Vorkämpferin für eine digitale Union zu diesen Weichenstellungen und Umsetzungen nur gratulieren!

Wir müssen jetzt den Schwung aus dieser Etappe mitnehmen, um auch beim Datenschutz, bei der Etablierung einer durchgehenden Infrastruktur für Breitband-Internet unter Wahrung der Netzneutralität, bei der Verwirklichung eines Roaming-freien Europas und beim Abbau bestehender Länderschutzschranken im Online-Shopping echte weitere Fortschritte zu erzielen.

Der Weg in Richtung „United Clouds of Europe“ ist ein sehr wichtiger und ich freue mich, dass ich mich mit der Fabasoft AG in diesen Standardisierungsprozess miteinbringen kann. Wenn wir alle zusammen Europa als unseren gemeinsamen Wirtschaftsraum gestalten, dann ist unser Kontinent mit all den Erfahrungen und Talenten seiner Bürger auf der Weltbühne zurück!