Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP) ist umstritten. Es geht vor allem um die mit den sogenannten Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren verankerten Sonderrechte für internationale Großkonzerne. Die US-Regierung und die EU-Kommission wollen diese im Abkommen festschreiben. Und das EU-Parlament hat kurz vor Ostern eine Verfahrensverordnung für Investorenschutzregeln abgesegnet. Besser vor den Europa-Wahlen als hinterher – man weiß ja nicht, was kommt…
Investoren erhalten durch diese Sonderrechte die Möglichkeit, Staaten vor internationalen Gerichten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn diese z.B. Umwelt- und Sozialgesetze einführen oder ändern, die die Verwertungsinteressen großer Konzerne tangieren.
Ex-IWF-Chef-Volkswirt Simon Johnson schreibt dazu, große US-Banken wollen u.a. über die andauernden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen die langsame Gangart der Bankenregulierung in Europa nutzen, um damit die diesbezüglich stärkeren Bemühungen der US-Politik zu bremsen.
Die SZ warnt: „Die Erfahrung mit bereits abgeschlossenen Wirtschaftsabkommen zeigt, dass die undurchsichtigen Sonderrechte von Konzernen immer häufiger missbraucht werden, etwa um unternehmerische Risiken auf die Allgemeinheit, also die Steuerzahler, abzuwälzen.“
Nachdem das EU-Parlament den Weg geebnet hat, geht es nicht mehr um die Frage, ob und warum ein Investitionsschutz in einem EU-USA-Abkommen überhaupt gebraucht wird, sondern lediglich noch darum, wie er konkret aussehen soll.
In den nationalen Parlamenten der EU regt sich Widerstand. Sie müssen dem Abkommen zustimmen, damit es in Kraft treten kann. EU-Handelskommissar Karel De Gucht will daher den Europäischen Gerichtshof einschalten, weil er befürchtet, dass nationale Parlamente das Abkommen ablehnen. Er verteidigt die Investorschutzklauseln, hat aber Konsultationen angekündigt.
Beobachter wie Pia Eberhardt von der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observator sehen darin eine PR-Offensive, um den Kritikern vor der EU-Wahl den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie wirft einigen Abgeordneten, vor allem von der SPD vor, einen scheinheiligen Wahlkampf zu führen: “Im Wahlkampf machen sie gegen die Investor-Staat-Klagerechte mobil, und in Straßburg winken sie dann heimlich das Gesetz durch, das solche Klagen überhaupt erst ermöglicht.”
Bundeskanzlerin Merkel meinte im Juni 2013: „Nichts wünschen wir uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.“
Mit dem Abkommen werden Umwelt- und Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht. Die angestrebte „Harmonisierung“ von Standards bedeutet letztlich, dass jeweils der niedrigste bzw. wirtschaftsfreundlichste Standard der Einzelstaaten zur Basis für die verbindliche Norm des Vertrags wird. Wenn einzelne Staaten später nationales Recht ändern, kann das hohe Entschädigungszahlungen begründen. Darüber entscheiden Schiedsgerichte, die jenseits nationaler Gesetzgebung und Kontrolle stehen. Z.B. können Unternehmen auf diese Art einzelstaatliche Verbote und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Lebensmittel unterlaufen, ebenso wie den Einsatz von Chemikalien und unter Einsatz von Hormonen erzeugtes Fleisch. Auch die Gasförderung mittels Fracking könnte so durchgesetzt werden. Auch an Entschädigungszahlungen für den Ausstieg aus der Atomenergie wäre zu denken.
Das Abkommen wäre nach In-Kraft-treten dauerhaft und kaum noch zu ändern, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann. Damit ist Abkommen unvereinbar mit demokratischen Prinzipien und muss als Unterwerfung der Teilnehmerstaaten unter Konzerninteressen gelten.
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