Was ist von Aktien in diesem Jahr zu erwarten, nachdem sie sich in den Jahren zuvor bereits überdurchschnittlich gut entwickelt hatten? Gibt ein gutes Vorjahr überhaupt signifikante Hinweise, wie das Folgejahr werden kann? Ich konzentriere mich auf US-Aktien – hier wird immer noch der weltweite Takt geschlagen.
Von Zacks stammt die folgende Auswertung. Aus der geht hervor, dass das Vorjahr kaum signifikante Aussagen darüber zulässt, wie sich das folgende Aktienjahr entwickelt.
Das bringt uns also nicht weiter. Ich will mich auch nicht mit anderen zweifelhaften statistischen “Omen” aufhalten. Entscheidend sind eher die aktuellen singulären Faktoren. Der wichtigste –lassen wir zunächst die Geldpolitik beiseite- ist in langfristiger Betrachtung der Verlauf der Unternehmensgewinne. Die wiederum hängen hauptsächlich von der Entwicklung der Gesamtwirtschaft ab. Allerdings gibt es erhebliche Verschiebungen zwischen Konjunkturzyklus, Unternehmensgewinnen und Aktienkursen, so dass zwar im langfristigen Mittel Unternehmensgewinne, Aktienkurse und Wirtschaftswachstum recht synchron laufen, kurz- und mittelfristig jedoch nicht unbedingt.
Der stärkste (negative) Einfluss auf die Aktienkurse käme von einer bevorstehenden Rezession. Hiermit wäre aus rigiden konjunkturzyklischen Gesichtspunkten ab der zweiten Jahreshälfte zu rechnen. Das erscheint mir aktuell jedoch weniger wahrscheinlich. So zeigt auch die Auswertung der Häufigkeitsverteilung bestimmter Merkmale der Zinsstruktur gegenwärtig keinerlei Tendenz in diese Richtung. Im Chart war vor den jüngsten drei Rezessionen jeweils frühzeitig gewarnt worden.
Das Wirtschaftswachstum hat sich bisher anemisch entwickelt. Die Mehrheit der Beobachter erwartet nun eine gewisse Belebung, wie auch ein Chart des „Economist“ zeigt. Die USA wird klar vorne gesehen.
Die Bewertung bei Aktien ist mit einem CAPE-KGV von rund 26 bereits weit vorgelaufen, wie wir hier diskutiert haben. Vom „psychologischen“ Aspekt her steckt damit in den Aktienkursen eine große Portion „Hoffnung“, die wirtschaftliche Entwicklung und die Unternehmensgewinne müssen nun „liefern“. Die Gewinnentwicklung steht auf Allzeithoch (siehe Chart und unten!), die Frage ist, wieviel Potenzial noch vorhanden ist.
Mikroökonomisch: Die Gewinn-Margen entwickeln sich zyklisch, sie beginnen gegen Ende einer Rezession zuzunehmen, in der Erholungsphase kommt dann der Punkt, wo Kapazitätsgrenzen erreicht werden und die Kosten insgesamt steigen. Dann sinken die Margen wieder. Auch wenn die Situation hier noch nicht ganz angelangt sein mag, so ist der Spielraum für eine weitere deutliche Margenverbesserung nicht mehr üppig. Die Rettung in der Not liegt in Produktivitätsverbesserungen und im Nutzen von Skaleneffekten. Wie die Entwicklung der Kapazitätsauslastung zeigt, gibt es für Letzteres noch Rest-Potenzial, wenn man auf das Maximum aus 2007 abstellt.
Makroökonomisch: Setzt man die Unternehmensgewinne (im Chart „CP“) ins Verhältnis zum BIP (im Chart „GDP“), wird besonders deutlich, wie weit fortgeschritten die Entwicklung der Unternehmensgewinne ist. Vor der Doppel-Rezession Anfang der 1980er Jahre hatte dieses Verhältnis einen Rekordwert erreicht bei gleichzeitig hoher Kapazitätsauslastung. Auch vor der Rezession Anfang der 1990er Jahre war die Kapazitätsauslastung hoch, das Verhältnis CP/GDP jedoch niedrig. Ab Mitte der 1990er Jahre sanken beide Kennzahlen erneut ab, hier sorgten der einsetzende Technologiewahn und die Deregulierung des Finanzsystems aber dafür, dass eine Rezession erst stark verzögert folgte. Vor der jüngsten Rezession galt wieder, dass beide Zeitreihen lokale Maxima ausgebildet hatten.
Aus beiden Gesichtspunkten wird deutlich: Es wird eng für die weitere Gewinnentwicklung, weiter steigende Aktienkurse führen eher zu einer Expansion der ohnehin schon elaborierten Bewertung. Ich könnte mir vorstellen, dass die Quartalsumsätze in der nun anlaufenden Berichtssaison eine deutlich größere Rolle spielen als bisher. Positive Skaleneffekte dürften bullische Erwartungen stützen.
Aktien stehen nicht alleine im Raum – die Frage ist, wie alternative Asset-Klassen bewertet sind. Die Wichtigste sind Bonds. Die Rendite für zehnjährige TNotes liegt aktuell bei rund 3%. Das ergibt nach Fed-Modell ein „faires KGV“ von gut 33. Verglichen mit dem aktuellen Aktien-KGV von rund 26 (Shiller-CAPE) wäre theoretisch (auf bereits sehr weit gedehnten Niveau) noch Potenzial. Die Gegenüberstellung von S&P 500 und der invertierten Rendite („faires KGV“ als Proxy für TBond-Kurse) zeigt, wie weit die Schere aufgegangen ist.
Bonds sind nach wie vor „out“ (siehe „Das “Große Geld“: Gutes Neues Jahr?“). Das muss keineswegs so bleiben. Nämlich dann nicht, wenn die langfristige Rendite weiter steigt und die Inflation so moderat bleibt wie aktuell. Die Reduktion der QE-Aktivitäten durch die Fed übt auf jeden Fall Druck auf die Bond-Kurse aus, was gleichbedeutend mit tendenziell steigenden Zinsen ist. Dies umso mehr, je stärker das BIP wächst und je eher eine Beschleunigung der Inflation erwartet wird.
Kritisch dürfte es bei einem Renditeniveau von aktuell 3,5% werden – hier verläuft momentan die Obergrenze des mit knapp 0,06% pro Monat sinkenden langfristigen Abwärtskanals aus 1986. Das sich aus 3,5% ergebende „faire KGV“ kommt auf ~28,6, was gegenwärtig etwa einer 40%-igen Überwertung von Aktien (Obergrenze des roten Bewertungskanals) entspricht.
Die Fed wird allerdings vermutlich nicht tatenlos zusehen, wenn die langfristigen Zinsen zum Selbstläufer werden. Notfalls wird sie dann das “Tapering” aussetzen oder sogar ihre QE-Aktivitäten wieder intensivieren. Selbst wenn das geschieht, dürfte das für zunächst stark ansteigende Volatilität und damit fallende Aktienkurse sorgen. Die “Märkte” werden alles tun, um die Bereitschaft der Fed (unter neuer Leitung) zu weiteren geldpolitischen Untaten intensiv herauszufordern.
Was eindeutig für dingliche Assets, also auch für Aktien, spricht, ist der kläglich niedrige Zinssatz von „sicheren“ Spareinlagen. Dieser “Anlagenotstand” wird uns noch längere Zeit erhalten bleiben. Die Fed hat dies als „Kompensation“ für ihr „Tapering“ so in Aussicht gestellt und will auch dann dabei bleiben, wenn ihr Ziel hinsichtlich Arbeitslosenquote von 6,5% erreicht ist, solange die Inflationsrate unter 2,5% bleibt. Ob das aber als hauptsächliches Argument dafür ausreicht, Aktien auf extreme Bewertungen zu treiben? Ich will das nicht völlig ausschließen, aber als alleiniges “Euphorie-Thema” erscheint mir das ziemlich unwahrscheinlich. Eine deutlich anziehende Inflation könnte die Situation ändern, hierfür sehe ich aktuell jedoch keine Anzeichen.
Neben dem elaborierten Bewertungsniveau sprechen technische Gesichtspunkte dafür, dass der Bull-Run bereits weit gedehnt ist. Wir hatten diese Aspekte hier diskutiert.
Ich rechne damit, dass Aktien zunächst noch relativ zügig weiter hoch laufen – Ziel im S&P 500 per Ende des ersten Quartals ~2000. Psychologisch gestützt werden könnte das durch eine Quartalssaison, die der Erwartung hinsichtlich Unternehmensgewinnen (plus etwa 4,5% y/y) nahe kommt. Gleichzeitig steigen die langfristigen Renditen gegen das erwähnte kritische Niveau. Spätestens im Mai, eher früher, dürfte es dann heißen: „Sell in may (april, march) and go away“. Wie weit eine solche Korrektur geht? Aus der Hüfte geschossen: Erste Etappe schnelle 10%; dabei muss es nicht bleiben.
Danach muss neu orientiert werden: Was macht die Wirtschaft, was machen die Unternehmensgewinne, wie stellt sich die Rezessionswahrscheinlichkeit dann dar? Und: Wie kommen die zu erwartenden weiteren geldpolitischen Untaten der Fed an?