Triste Meldungen aus Spanien: Im vierten Quartal ist das BIP um 0,7% zurückgegangen. Das Schlussquartal 2012 war sogar das mit der schärfsten Kontraktion in der seit Mitte 2011 andauernden Rezession. Zur Begründung wird angeführt, die Inlandsnachfrage sei stärker als erwartet zurückgegangen und das Wachstum des Exports konnte das nicht ausreichend kompensieren.
Überraschend ist das nicht. Wer geglaubt hatte, das dritte Quartal zeige bereits Anzeichen einer Wende, irrte. Die im September erfolgte Erhöhung der Mehrwertsteuer hatte noch für eine leichte Bremswirkung im Abwärtsstrudel gesorgt. Umso mehr ging es im spanischen Einzelhandel danach weiter bergab – wie seit 30 Monaten. Im Dezember sanken die Umsätze um 10,2% im Jahresvergleich, die Einzelhandelsumsätze liegen gegenüber dem Hoch aus dem Jahr 2007 nun um mehr als 30% tiefer.
Die Jugendarbeitslosigkeit schwingt sich von Rekord zu Rekord auf – sie liegt jetzt bei deutlich über 50%. Spaniens Arbeitsmarkt zählt zu den Schlusslichtern in Europa.
Angesichts dieses Desasters findet der Wirtschaftsweise Bofinger immer wieder Gehör mit einem Vorschlag für die anstehenden deutschen Tarifrunden: “Fünf Prozent Plus über alle Branchen hinweg sollten es schon sein.” Darin steckt ein zweiprozentiger Zuschlag zur Euro-Rettung, aus Produktivitätszuwachs und Inflation ergebe sich nur eine dreiprozentige Lohnsteigerung, sagt der Wirtschaftsprofessor. Die Deutschen sollen mehr konsumieren und damit den Krisenländern helfen.
Gegen ein solches Rezept gibt es einige einfache Einwände.
Der erste ist schlicht der, dass ein Fehler nicht durch einen zweiten Fehler ausgeglichen werden kann. Die spanische Wirtschaft wurde in erster Linie von Profit-trächtigen Banken mit zu billigen Krediten in eine Schuldenfalle getrieben, jetzt soll es die deutsche Wirtschaft richten, indem sie ihre Binnennachfrage in derselben Form künstlich aufbläht.
Der zweite Einwand ist grundsätzlicher, ordnungspolitischer Art. Offenbar ist die Tarifpolitik keine Sache der Taifparteien mehr, sondern muss von übergeordneten Zielen geleitet werden. Das ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass zentralwirtschaftliches Planungsdenken immer weiter um sich greift. Bei Herrn Bofinger heißt das, wir könnten bei Tarifverhandlungen nicht länger so tun, als lebten wir auf einer Insel.
Bleibt der einheitliche Euro bestehen, gibt es sehr wahrscheinlich nur die Wahl zwischen zeitweise höherer Inflation hier oder Deflation in Südeuropa.
Was passiert, wenn man dem Vorschlage von Bofinger und anderen Zentralplanern folgt? Wenn die höheren Nominallöhne in Deutschland in Konsum umgesetzt werden (und nur dann macht das Rezept Sinn), entwickelt sich eine Lohn-Preisspirale. Daraus ergibt sich dann die Notwendigkeit, wiederum auf zentralplanerischer Ebene gegenzusteuern – wie immer zieht ein bürokratischer Eingriff sofort den nächsten nach sich. Allerdings sind die Möglichkeiten gegenzusteuern, wegen der einheitlichen, von Beginn an an den Bedüfnissen der südlichen Peripherie ausgerichteten, einheitlichen Geldpolitik der Eurozone äußerst begrenzt. Das wird dazu führen, dass sich die höhere Inflation in Deutschland festsetzt. Die deutsche Wirtschaft, die bisher das ganze morsche Gebäude des Euro-Währungsgebiets wesentlich mit stabilisiert hat, gerät auf dem Weltmarkt ins Hintertreffen.
Das würde nur dann anders aussehen, wenn dadurch der Euro so weit geschwächt wird, dass dieser Nachteil mindestens kompensiert wird. Geschieht das nicht, haben auch die Krisenländer nichts davon und die zarten Exporterfolge etwa der spanischen Wirtschaft sind auch noch dahin. Der Euro scheint ja gerade wegen der überall herbeigeredeten Hoffnung, die Eurozonenkrise sei vorbei, von Stärke zu Stärke zu eilen. Man bedenke, erst unterhalb von 1,20 Euro/Dollar beginnt der Bereich, wo die Krisenländer über den Export nachhaltig profitieren könnten (siehe z.B. hier!).
BuBa-Chef Weidmann hat sich jüngst ebenfalls gegen die Idee von Bofinger und anderen gewandt. Er kommt zu dem Schluss, dass die Reaktion des BIPs der Krisenländer nahezu null wäre. Aber je nach Berechnungsverfahren sinkt die Beschäftigung in Deutschland langfristig um 1% und das BIP um 0,75%. Außerdem müsste der Inflation gegengesteuert werden, was das BIP zusätzlich drücken würde. Wer eine entsprechende Geldpolitik machen sollte, hat er nicht verraten.
Wie Bofinger will auch Weidmann nicht auf einer Insel leben: Die Eurozone sei keine solche, sondern Teil einer der Weltwirtschaft. Um dort zu bestehen, müssten die eigentlichen, tiefer liegenden Probleme beseitigt werden.
Ich habe zwei Vorschläge:
Erstens – Ernennt in Brüssel einen Kommissar, der die Löhne in der Eurozone festlegt.
Zweitens – Brecht die Eurozone in eine Nord- und in eine Südzone auf.
Der erste Vorschlag ist nicht ernst gemeint.