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»Echte Kreislaufwirtschaft ist durch C2PAT im ganz großen Stil möglich.«

»Echte Kreislaufwirtschaft ist durch C2PAT im ganz großen Stil möglich.«

Aus der Zementproduktion abgeschiedenes CO2 wird zu hochwertigen Kunststoffen, die wiederum nach ihrer Verwendung gesammelt werden und als Ersatzbrennstoff für die Zementproduktion dienen.Dieser echte CO2-Kreislauf ist möglich und mehr als eine kühne Version. Wie das funktioniert und welche Pläne er sonst verfolgt, erklärt der neue Lafarge-CEO, Berthold Kren, im Interview mit dem Bau & Immobilien Report.

Report: Ein Umwelttechniker an der Spitze eines Zementunternehmens, das klingt im ersten Moment wie eine Fehlbesetzung. Warum ist es keine?

Berthold Kren: Das ist tatsächlich eine Premiere. Ich glaube aber, es gibt mehrere Gründe, warum es keine Fehlbesetzung ist. Zum einen wollte die Gruppe sicher ein Zeichen setzen. Wir haben vor 1,5 Jahren begonnen, nicht nur über Nachhaltigkeit zu reden, sondern auch konkrete Schritte zu setzen. Ich erinnere mich an ein Managementmeeting in Davos, bei dem unser Aufsichtsratsvorsitzender Beat Hess die Hälfte seiner Redezeit über nichts anderes als Nachhaltigkeit gesprochen hat. Und er hat Taten gefordert. Das war schon beeindruckend.

Weiters hat die Gruppe ernsthaft begonnen, an einer CO2-Roadmap zu arbeiten und eine target based initiative zu entwickelt. Damit wird auf wissenschaftlicher Basis validiert, ob die formulierten Klimaziele auch tatsächlich erreicht werden. Wir haben uns weltweit dazu verpflichtet, einen CO2-Fußabdruck von 475 kg pro Tonne Zement zu erreichen und werden das auch überprüfen. Das ist der Zielwert bis 2030. Das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ist also gegeben. Ich hoffe aber, dass mich die Gruppe nicht nur als Umwelttechniker sieht, sondern auch meine Managementkompetenz wahrnimmt.

Report: Wie wichtig war es, nach Antoine Duclaux und Jose Primo wieder einen CEO mit österreichischem Pass zu haben?

Kren: Es stimmt, in den letzten fünfeinhalb Jahren hatten wir CEOs von auswärts, die ein tolles Gefüge hinterlassen haben. Aber es waren schon auch viele froh, wieder einen deutschsprachigen CEO zu haben. Die Gruppe hat aber auch erkannt, dass es eine lokale Stimme braucht, um die Position der Marktführerschaft auch nach außen darzustellen. Dafür braucht man einen CEO, der im VÖZ und in anderen Verbänden und Ausschüssen präsent ist.  

Report: Sie haben das ehrgeizige Ziel formuliert, bis 2040 CO2 neutral zu werden. Auch die Politik hat sich in der Vergangenheit immer wieder ehrgeizige CO2-Ziele gesetzt – und ist nicht selten grandios gescheitert. Ebenso andere Unternehmen. Warum hat Ihre Ankündigung mehr Bestand und Substanz?

Kren: Ich unterschreibe sofort unser 475 kg-Ziel. Wir sind laut den letzten Zahlen von 2018 bei 550 kg, wahrscheinlich sind wir schon jetzt bei 520 kg. Dazu wollen wir jetzt rund 20 Millionen Euro in ein Projekt stecken, das nochmal zwölf bis 13 kg CO2-Einsparung bringt. Wir gehen auch in ein Zementportfolio, wo wir etwas mehr Kalkstein reinbringen, weil Schlacke und Flugasche nicht in dem Ausmaß vorhanden sind. Damit erreichen wir 475 kg. Aber wir wissen, bei 450 kg ist Schluss. Da kann man beim Brennvorgang nichts mehr machen und auch nicht bei der Energieeffizienz. Ab dieser Marke steht und fällt alles mit dem Carbon2Product Austria-Projekt, kurz C2PAT. Und das ist aus meiner Sicht weit mehr als eine Ankündigung wie wir sie von anderen kennen, die dann auch schnell wieder in Vergessenheit gerät. Ich glaube nicht, verstehe aber, wenn es Skepsis gibt.

Report: Was ist bei C2PAT anders?

Kren: Mit Lafarge, OMV, Verbund und Borealis haben sich vier Unternehmen aus verschiedenen Industrien zusammengeschlossen, mit dem Ziel einer vollständigen Dekarbonatisierung. Das Gesamtinvestitionsvolumen liegt bei 113 Millionen Euro, für eine Anlage, von der wir wissen, dass wir sie nicht wirtschaftlich betreiben können. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir den Zuschlag vom Innovationsfond erhalten. Das könnte bis zu 60 Prozent ausmachen. Da geht es um echte Forschung und das echte Interesse der Projektpartner, herauszufinden, ob wir ein System entwickeln können, von dem wir alle vier profitieren.

Ob es uns gelingt, aus dem abgeschiedenen CO2 im Zementwerk Mannersdorf neue Produkte für die Treibstoff- oder Kunststoffindustrie zu machen. Das soll eine Blaupause sein für den Standort Österreich, dass es möglich ist. Alleine könnte das keiner von uns. Wir wollen zeigen, dass sektorenübergreifendes Arbeiten erforderlich, aber möglich ist. Noch gibt es in der Technologie und der Forschung einige Löcher. Aber wir sind überzeugt, dass wir sie stopfen können.

Unsere Aufgabe ist die CO2-Abscheidung. Wir haben uns auf eine Aminauswaschung festgelegt. Da liegen wir bei der Pilotanlage mit 10.000 Tonnen am unteren Ende der Größenordnung. Da mussten wir einen Kompromiss schließen, weil wir bei den nachgelagerten Technologien wie der Methanolsynthese noch im Laborstatus sind. Das ist aktuell noch ein Flaschenhals, da hätte eine höhere CO2-Abscheidung nur wenig Sinn. Ziel ist es, aus dem Methanol dann irgendwann Treibstoff oder Kunststoff zu machen.

Report: Wo sehen Sie das größere Potenzial?

Kren: Persönlich glaube ich, dass der Kunststoffbereich mehr Potenzial bietet. Im Treibstoffbereich werden fossile Brennstoffe ersetzt, das CO2 kann also zweimal genutzt werden. Im Kunststoffbereich kann das CO2 wirklich im Kreis fahren, wenn der Kunststoff dann wieder gesammelt und als Ersatzbrennstoff in der Zementproduktion verwendet wird. Irgendwann ist dann jedes Stück Kunststoff in Österreich aus Mannersdorf. Das wäre doch ein schönes Ziel (lacht). Wir wissen aber, dass alle Augen auf uns gerichtet sein werden, ob wir das schaffen oder nicht.

Report: Der Klimawandel ist trotz Corona die ohne Zweifel größte Herausforderung unser Zeit. Holz hat beim Thema Umweltfreundlichkeit unbestritten immer einen emotionalen Vorteil. Wie wollen Sie diesen Vorsprung wettmachen?

Kren: Das CO2-Bewusstsein ist da. Jeder Baustoff hat seine Vor- und Nachteile und die muss man fair vergleichen. Nimmt man nur den CO2-Abdruck her, ist über den Lebenszyklus betrachtet kaum ein Unterschied zwischen Holz und Beton. Aber das ist natürlich eine rationale Erklärung. Das transparent und verständlich zu kommunizieren, wird noch ein hartes Stück Arbeit. Aber es muss über die Sach­ebene gehen. Darin sehe ich auch meine zentrale Aufgabe, zu zeigen, was wir können und was wir alles tun, um noch besser zu werden. Und wenn C2PAT kommt, dann sind unsere Argumente unschlagbar.

Report: Wir befinden uns in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Wie würden Sie die aktuelle Lage einschätzen? Wie ist aktuell die Nachfrage? Was erwarten Sie für 2021?

Kren: Ich denke, dass wir in der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie mit einem blauen Auge davonkommen. Im März gab es in der Branche eine kurze Schockstarre, aber dann haben alle gemeinsam von der Politik über die Sozialpartner bis zu den Unternehmen an einem Strang gezogen und vieles richtig gemacht. Mengenmäßig werden wir heuer in etwa auf dem Vorjahresniveau liegen. Ich wehre mich auch mit Händen und Füßen, das Jahr 2021 abzuschreiben. Ich rechne mit einer stabilen Nachfrage. Die großen Infrastrukturprojekte laufen ja weiter. Auch die kleinen Baumeister sind gut ausgelastet.

Report: Wenn wir uns in einem Jahr wieder sehen: Was muss passiert sein, was muss umgesetzt oder auf Schiene gebracht sein, dass Sie von einem erfolgreichen ersten Jahr sprechen?

Kren: Wenn wir die Förderzusage für C2PAT bekommen haben und die ersten baulichen Schritte gesetzt sind, wäre das ein schöner Erfolg.
Das Feedback auf unseren Ecopact, unseren grünen Zement, ist sehr positiv. Wenn wir dafür die eine oder andere Zertifizierung oder Auszeichnung bekommen, würde mich das sehr freuen. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, ein Verständnis dafür zu schaffen, dass wir den Baustoff Beton weiter ökologisieren müssen.

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