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Hoffnungsmarkt Afrika

(Foto: photos.com) Wirtschaftsmacht Afrika. Vor einigen Jahren stand der schwarze Kontinent noch im wirtschaftlichen Abseits, heute erlebt er einen Aufschwung. (Foto: photos.com) Wirtschaftsmacht Afrika. Vor einigen Jahren stand der schwarze Kontinent noch im wirtschaftlichen Abseits, heute erlebt er einen Aufschwung.

Armut, Hunger und Bürgerkriege prägen unser Bild von ­Afrika. Auf dem schwarzen Kontinent wächst jedoch eine aufstrebende Mittelschicht heran. Konsumgütermultis liefern sich bereits ein Rennen um die Vorherrschaft auf den Märkten. China sichert sich die Bodenschätze.

 

Afrika macht wieder Schlagzeilen. Diesmal sind es aber keine Dürrekatastrophen, Seuchen, Kriege oder andere Berichte von Leid und Elend. Wirtschaftsexperten wagen heute eine optimistische Prognose, die noch vor ein, zwei Jahrzehnten undenkbar schien. Die afrikanische Wirtschaft ist im 21. Jahrhundert um durchschnittlich 6 % pro Jahr gewachsen, 2012 waren es 4,5 %. Sieben der zehn am stärksten wachsenden Volkswirtschaften liegen in Afrika. Einige Länder haben den Wechsel zu demokratischen Systemen mit gut ausgebildeten, handlungsfähigen Regierungen geschafft. Investitionen in Gesundheit und Bildung tragen langsam Früchte. Bis 2045 soll sich die Zahl der 15- bis 24-Jährigen auf 400 Millionen verdoppeln. Insgesamt leben dann in Afrika eine Milliarde Menschen im Erwerbsalter, mehr als in China oder Indien. Ökonomen sehen darin eine demografische Chance – und einen gigantischen Absatzmarkt. Die junge Einwohnerschicht ist aber zugleich ein großes Problem, denn das Bevölkerungswachstum schreitet rascher voran als die Schaffung von Arbeitsplätzen. In einigen afrikanischen Ländern finden weniger als 15 % der arbeitsfähigen jungen Menschen einen Job, der ihre Existenz dauerhaft sichert. Über die Zahl der Arbeitslosen existieren kaum gesicherte Erhebungen, die Dunkelziffer dürfte aber teilweise mehr als 20 % betragen. Die Mehrzahl der Afrikaner muss mit maximal zwei Dollar pro Tag auskommen. Die Subsistenzwirtschaft und der informelle Sektor – kleine Handels- und Gewerbebetriebe – sind nach wie vor die wichtigsten Erwerbsquellen, ohne jegliche Absicherung. Erst wenn die Einkommen auf breiter Basis wachsen, »entstünde Spielraum für den Verkauf von Konsumgütern und die konjunkturelle Basis für weiteres Wirtschaftswachstum« und Afrika könne seine »demografische Dividende« nutzen, meinen Experten des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in ihrer Studie »Fünf Löwen auf dem Sprung?«.

>> Fünf Löwen <<

Doch es wäre vermessen, ganz Afrika über einen Kamm zu scheren. Die 54 anerkannten Staaten des riesigen Kontinents sind hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes sowie der wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Als größte Hoffnungsträger gelten die »fünf afrikanischen Löwen« Südafrika, Ghana, Ägypten, Tunesien und Marokko. In Anlehnung an die vier asiatischen Tigerstaaten Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, die ab 1980 durch rasantes Wirtschaftswachstum zu den Industrienationen aufschließen konnten, wird diesen fünf afrikanischen Ländern ähnliches Potenzial zugetraut.

Mit Abstrichen zählen nach Ansicht der Forscher auch Gabun, Mauritius, Namibia, Gambia und Senegal zu den Staaten mit den besten Voraussetzungen. An der Ostküste können sich Kenia, Tansania und Madagaskar behaupten. Besonders problematisch ist die Lage im Inneren des Kontinents sowie am Horn von Afrika, wo der Konflikt in Somalia sogar den bei Touristen beliebten Nachbarstaat Kenia in die Bredouille bringt. Vor innenpolitischen Krisen sind aber auch die aufstrebenden Staaten nicht gefeit, wie die aufflammenden Unruhen in Kairo vor wenigen Wochen wieder deutlich vor Augen führten.

Das Schwergewicht Nigeria, der bevölkerungsreichste Staat Afrikas, lockt durch seine Erdölvorkommen und die reiche Oberschicht internationale Investoren, die sozialen Spannungen und die Korruption sind jedoch enorm. Trotz fruchtbarer Regionen ist Nigeria wie Sambia und Mosambik seit Jahrzehnten von Lebensmittellieferungen abhängig. Die wirtschaftliche Bedeutung des Landes sollte aber nicht unterschätzt werden, meint Nella Hengstler, österreichische Wirtschaftsdelegierte in Lagos: »Nigeria produziert für den gesamten west- und zentralafrikanischen Markt.« Lagos ist mit geschätzten 15 bis 20 Mio. Einwohnern nicht nur die größte Stadt Afrikas, sondern auch das Zentrum der Region. »Da so gut wie alle Produktionsmaschinen und Rohstoffe importiert werden, bestehen hier große Geschäftschancen.«

>> Konsumrevolution <<

Die Armut und die Arbeitslosigkeit sind in fast allen afrikanischen Staaten noch immer größer als in anderen Schwellenländern, der Hunger nach Konsumgütern aber auch. Fast die Hälfte des Wirtschaftswachstums stammt aus den konsumnahen Sektoren. Das McKinsey Africa Consumer Insights Center errechnete ein Anwachsen der Konsumgüterindustrie um weitere 410 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2020.

Allerdings konzentriert sich der Konsumtrend eher auf einzelne Städte als auf bestimmte Länder. Afrika ist stark urbanisiert, 40 % der Bevölkerung leben in städtischen Ballungsräumen. Die Zahl der Städte mit mehr als einer Million Einwohner wird schon in wenigen Jahren auf 65 ansteigen und damit Europa einholen bzw. Indien und Nordamerika überholen. Die Pro-Kopf-Einkommen in den Städten liegen 80 % über dem landesweiten Durchschnitt. Die Ausgaben steigen in den städtischen Haushalten doppelt so schnell wie im ländlichen Raum. Allerdings sind auch Elendsviertel am Rand der explodierenden Metropolen Teil des großen Traums vom Aufbruch in ein besseres Leben.

Im Konsumverhalten zeichnet sich laut McKinsey bereits jetzt ein tiefgreifender Wandel ab: Die Hälfte der insgesamt 13.000 Befragten aus 15 Städten in zehn afrikanischen Ländern gab an, sich bei Gütern des täglichen Bedarfs bewusst einzuschränken, um Geld für eine größere Anschaffung zu sparen. Jeder dritte Afrikaner verfügt über ein Jahreseinkommen von 1.500 bis 7.300 US-Dollar und investiert in Kühlschränke, Autos oder Wohnungen. Der Mobilfunkboom setzte mit mehr als 650 Millionen verkauften Telefonen eine ungeahnte Dynamik in Gang. Die Handydichte ist heute teilweise höher als in den USA oder Europa. In manchen Regionen haben mehr Menschen Zugang zum Mobilfunknetz als zu sauberem Wasser oder Strom. Konsumgütermultis wie Nestlé, Unilever und Danone liefern sich angesichts stagnierender Margen in den Industrieländern ein Rennen um die Vorherrschaft auf den neuen Absatzmärkten.

Die Marschrichtung gibt die Gruppe der 16- bis 34-Jährigen vor, die schon jetzt über 53 % des Einkommens in städtischen Gebieten verfügt. Sie bilden eine moderne Mittelschicht, die sehr internetaffin agiert und Wert auf Markenware legt. Billige, qualitativ minderwertige No-Name-Produkte werden deshalb langfristig nicht mehr erfolgreich sein, meinen Experten. Unternehmen, die auf die überwiegend ältere Bevölkerung in Industrieländern ausgerichtet sind, müssen sich an die Marktgegebenheiten anpassen. »Man schätzt in Afrika europäische Qualität und europäischen Service. Problematisch ist oft der Preis. Hier würden auf den afrikanischen Markt zugeschnittene Produktlinien Abhilfe schaffen«, bestätigt die Wirtschaftsdelegierte Nella Hengstler.

>> Das Erbe des Kolonialismus <<

Trotz aller Euphorie ist das Erbe des Kolonialismus noch vielfach spürbar. Bisher wird der Aufschwung fast ausschließlich durch Ausfuhr von Öl, Uran, Titan, Kupfer oder Gold gespeist. Zwei Drittel aller Exporte sind Rohstoffe, die nach China, Indien oder Brasilien gehen. Erst im Vorjahr bewilligte die Regierung in Peking zu den bisher investierten 45 Mrd. US-Dollar weitere Kredite in Höhe von 20 Mrd. für Projekte in den Bereichen Infrastruktur und Agrarentwicklung. Im Gegenzug überflutet Importware – von Computern über Haushaltsgeräte bis zu Kleidung – den Kontinent. Während sich Europa in der Krise verstrickte, hat sich der chinesisch-afrikanische Handel in den letzten drei Jahren verdreifacht. Rund 2.000 chinesische Unternehmen sind bereits in Afrika aktiv. Auch die Türkei versucht, sich ein Stück des Kuchen zu sichern. Zwischen Istanbul und den wichtigsten afrikanischen Metropolen verkehren fast täglich Flüge.

In jüngster Zeit häufen sich kritische Stimmen, u.a. seitens der OECD, die auf einen wesentlichen Unterschied zum Aufschwung der »Tigerstaaten« hinweisen: Während sich in Ostasien rasch eine starke verarbeitende Industrie etablierte, ist dieser Sektor in Afrika noch kaum ausgeprägt. Will der Kontinent dauerhaft der Armut entfliehen, braucht es aber eigenständige Betriebe, die Güter für den Export produzieren. Innovative Unternehmen wie die kleine äthiopische Schuhmanufaktur SoleRebels sind noch dünn gesät: Die 32-jährige Firmenchefin Bethlehem Tilahun Alemu ist mit ihren trendigen Sneakers und Sandalen aus alten Jutesäcken, besohlt mit recycelten Autoreifen, bereits weltweit in 45 Ländern präsent. Das 2004 gegründete Unternehmen beschäftigt inzwischen 200 Mitarbeiter, mehr als 70.000 handgefertigte Paar Schuhe verlassen jährlich das ehemalige Wohnhaus in einem Vorort von Addis Abeba. Schon bald will Alemu, vom Forbes Magazine in die Riege von »Africa’s Most Successful Women« gereiht, einen Franchisestore in Zürich eröffnen. Schuhe aus einem der ärmsten Länder der Welt in einer der reichsten Städte – Afrika wächst über sich hinaus.

Die Top 10-Wachstumsmärkte

>> Unter den zehn am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt sind sieben aus Afrika (Jahresdurchschnitt des BIP-Wachstums in %). Quelle: IWF

2001 – 2010    2011 – 2015

Angola 11,1         China 9,5
China 10,5           Indien 8,2
Myanmar 10,3     Äthiopien 8,1
Nigeria 8,9           Mosambik 7,7
Äthiopien 8,4       Tansania 7,2
Kasachstan 8,2    Vietnam 7,2
Tschad 7,9            Kongo 7,0
Mosambik 7,9       Ghana 7,0
Kambodscha 7,7   Sambia 6,9
Ruanda 7,6            Nigeria 6,8

>> Austria in Afrika:

>> Das wichtigste Eingangstor auf den schwarzen Kontinent ist für viele westliche Unternehmen Südafrika. Österreich pflegt seit den 1970er-Jahren traditionell gute Kontakte in den nordafrikanischen Raum und den Nahen Osten. Der »Arabische Frühling« hat einige Firmen verschreckt, die Exporte brachen 2011 in der Region um 13 % ein. Die vergleichsweise gut entwickelten Staaten im Norden verfügen aber über eine weitgehend intakte Infrastruktur, was die Risiken des Abenteuers in Grenzen hält.

Die für die weitere Zukunft interessantesten Regionen liegen jedoch in der Mitte des Kontinents, im breiten Subsahara-Gürtel. Hier mangelt es praktisch an allem – allerdings vielfach auch an demokratischen, menschenwürdigen Verhältnissen  »Noch fehlt es in vielen Ländern, zumal südlich der Sahara, an Infrastruktur, Kapital und Know-how«, meint Martin Wittig, CEO der Unternehmensberatung Roland Berger. Vor allem in den Schlüsselbranchen Energie, Produktion, Handel, Transport, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen bieten sich für westliche Industrienationen Chancen für Investitionen und Kooperationen. Noch sind Exporte nach Afrika für Österreichs Unternehmen nur von marginaler Bedeutung – der Anteil am gesamten Exportvolumen beträgt 1,32 %. Zwei Drittel der Ausfuhren entfallen aber bereits auf die Subsahara. Den Weg über Südafrika wählte beispielsweise Mafi, Spezialist für geölte Naturholzböden, um zumindest die südliche Hälfte des afrikanischen Kontinents zu erobern. In Johannesburg eröffnete kürzlich der Schauraum »Living Art Floors«, der von einer nach Südafrika ausgewanderten Familie betrieben wird. Mafi-Geschäftsführer Friedrich Fillafer setzt auf wohlhabende Kunden, die die hochwertige Qualität der Produkte schätzen: »Auf unsere Böden kommen im Süden Afrikas ganz andere Anforderungen zu als zum Beispiel in Österreich.« Den besonderen klimatischen Bedingungen können die Böden aber durch die Veredelung mit natürlichen Ölen und den Drei-Schicht-Aufbau problemlos standhalten. Ebenfalls in Südafrika startete der oberösterreichische Schaumstoffproduzent Greiner Holding AG. Über das Joint Venture »Unifoam« mit einem lokalen Partner nimmt das expansionsfreudige Unternehmen Kurs auf die Marktführerschaft. 2011 wurde mit der Produktion von rund 6.000 Tonnen Schaumstoff ein Umsatz von 20 Millionen Euro Umsatz erzielt. Mit einem Marktanteil von 20 % ist Greiner Foam International derzeit der drittgrößte Hersteller in Südafrika. Greiner-Geschäftsführer Manfred Marchgraber sieht noch großes Potenzial: »Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigeren Matratzen steigt.« Derzeit wird nur ein Drittel der in Südafrika produzierten Matratzen aus Schaumstoff hergestellt. Weitere Ziele sind der Einstieg in den Automotivmarkt sowie die Expansion in benachbarte Länder.

Last modified onDonnerstag, 23 Mai 2013 12:59

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