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»Profitiert hat der Kunde«

(+) plus: 1998 wurde der Telekommarkt in österreich liberalisiert. Mit welchen Auswirkungen?
Norbert Wieser: Die Liberalisierung hat der österreichischen Bevölkerung Ersparnisse oder - technisch ausgedrückt - eine höhere Konsumentenrente von 14 Milliarden Euro gebracht. Das ist mehr als eine Steuersenkung bis jetzt jemals erreicht hat. Ich glaube, dass der Konsument verstanden hat, dass die Liberalisierung des Marktes große Vorteile bringt. Neben einer Preissenkung von siebzig, achtzig Prozent hat auch die Vielfalt der Angebote deutlich zugenommen. Im Businessbereich tritt die Liberalisierung als Enabler auf. Viele Klein- und Kleinstunternehmen würde es ohne einen billigen Zugang zu Breitband und Telekommunikation heute gar nicht geben.

(+) plus: Das klingt nach einer zufriedenen Bilanz.
Wieser: Nicht unbedingt. Wer von den bisherigen Liberalisierungsschritten profitiert hat, ist der Kunde. Jetzt stellt sich die Frage, wer in Zukunft profitieren wird. Es wurden viele Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert. Viele Unternehmen haben in dieser Zeit einen nicht unbeträchtlichen Verlustvortrag angehäuft, der jetzt langsam abgebaut wird. Das Problem ist, dass sich an den Rahmenbedingungen kaum etwas geändert hat.

(+) plus: Wo setzt Ihre Kritik an?
Wieser: Wenn man für die letzte Meile, das letzte Glied der Wertschöpfungskette, überhöhte Preise bezahlt, wird die Investitionsfreude der Unternehmen gebremst. Damit geht aber der Digital Divide auf, indem wir uns gewisse Gebiete gar nicht mehr leis­ten können. Dadurch haben wir in großen Teilen österreichs per definitionem ein Monopol der Telekom Austria. Die­se Entwicklung spiegelt sich auch in der »Regulatory Scorecard«, dem EU-weiten Vergleich der Liberalisierungsfortschritte, wider. Da ist österreich von Platz vier auf Platz elf abgerutscht. Das heißt, der Wettbewerbsgrad ist in österreich durch mangelhafte Rahmenbedingungen deutlich zurückgegangen. Die Telekombranche ist eine sehr dynamische Branche, leider in einem sehr unbeweglichen Umfeld.

(+) plus: Wie bewerten Sie die übernahme der etel durch die Telekom Austria?
Wieser: Es ist zumindest interessant, dass es in österreich möglich ist, dass der Incumbent alternative Betreiber akquirieren darf. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum ein marktdominanter Spieler einen alternativen Anbieter einfach übernehmen darf. üblicherweise sollen Anti-Trust-Gesetze verhindern, dass es durch Akquisitionen zu Marktdominanzen kommt. In diesem Fall gab es bereits ein markdominantes Unternehmen, das fleißig weiter akquiriert. Das Ergebnis ist natürlich eine noch größere Marktdominanz.

(+) plus: Viele Mobilfunker glauben an die Substitution des Festnetzes durch den Mobilfunk. Ihr ehemaliger Arbeitgeber Tele2UTA bietet beides an. Wie lautet Ihre Einschätzung?
Wieser: Dass sich die Mobilfunker eine möglichst große Substitution wünschen, ist naheliegend. Aber vor allem im Datenbereich ist das derzeit noch kein Thema. Der Marktanteil von mobilem Breitband liegt im unteren einstelligen Prozentbereich. Die Frage, die sich mir stellt, ist nicht, wer wird wen ersetzen, sondern was will der Kunde. Da wird sowohl für das Festnetz als auch für den Mobilfunk Platz sein.

(+) plus: Welche Rolle wird IPTV spielen?
Wieser: Es gibt rund um IPTV einen künstlich erzeugten Hype. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass IPTV so ein Heuler ist, der für die Anbieter unverzichtbar ist. Ich sehe noch kein Geschäftsmodell, bei dem IPTV unabkömmlich ist. Die Frage ist, ob wir in österreich ein Versorgungsproblem im TV-Bereich haben. Die Antwort ist nein. Schon alleine deshalb, weil in österreich der Satellitenmarkt sehr stark ist. Die Konsumenten werden kein Geld ausgeben, nur um dieselben Programme über eine andere Technologie empfangen zu können.

(+) plus: Welche Trends sehen Sie im Bereich Internet?
Wieser: In erster Linie geht es um drei banale Dinge: Information, Mails und Unterhaltung. Parallel dazu gibt es zusätzliche Anwendungen wie etwa VoIP, die sicher interessant sind, aber noch eine eher geringe Rolle spielen. Prognostizieren will ich nichts, aber ich glaube, dass es im Netz eine große Menge an Communities gibt, die ihren Content selbst schaffen. Ich gehe davon aus, dass die vielen Millionen Internetuser deutlich kreativer sind als die Telekom-Unternehmen.

In erster Linie muss es darum gehen, dem Kunden das zu bieten, was er braucht. Der Kunde will einen Zugang, der funktioniert und mit der Kapazität Schritt halten kann. Ich sehe die Telekom-Unternehmen als Enabler, nicht als die kreativen Köpfe.

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