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"Es fällt Menschen nicht leicht, mit Komplexität umzugehen"

Herbert Strobl plädiert für eine offene Diskussions- und Unternehmenskultur in unserer zunehmend komplexen Welt: "Technik ist schön und gut. Aber es hilft die beste Technik nichts, wenn die Menschen nicht miteinander können." Herbert Strobl plädiert für eine offene Diskussions- und Unternehmenskultur in unserer zunehmend komplexen Welt: "Technik ist schön und gut. Aber es hilft die beste Technik nichts, wenn die Menschen nicht miteinander können." Foto: privat

Herbert Strobl ist systemischer Berater mit langjähriger Managementerfahrung in der Energiewirtschaft. Wir haben mit ihm über Unternehmenskultur, Technologie und Werte in einer sich rasant verändernden Welt gesprochen.

Report: Sie beschäftigen sich mit Unternehmenskultur in der Wirtschaft. Welche Herausforderungen sehen Sie hier?

Herbert Strobl:
Der Begriff Unternehmenskultur alleine ist schon einmal sehr schwammig. Jede Firma hat eine Kultur – ob sie will oder nicht. Keine Unternehmenskultur zu haben, das gibt es nicht. Kultur kann nicht einfach gemacht oder aus einer Führungsposition heraus verordnet werden – sie entsteht vielmehr. Sehr wohl aber können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die bei der Entwicklung einer Kultur helfen.

Es gibt dazu einen schönen Spruch: »Unternehmenskultur ist wie die Körpersprache eines Unternehmens.« Mir gefällt das sehr gut, denn egal wie zum Beispiel dieses Gespräch zwischen uns beiden inhaltlich verläuft – egal was ich sage und was bei Ihnen ankommt –, an meine Körpersprache werden Sie sich erinnern können. Sie wirkt mit Sicherheit. Mit der Unternehmenskultur ist es ähnlich: Sie ist an sich weich, hat aber harte Auswirkungen auf die Zahlen. Firmen sollten das nicht unterschätzen.

Report: In der zunehmend komplexen Welt wird das Vertrauen in Produkte, Anbieter und Geschäftspartner wichtiger. Sollten alleine deshalb schon Unternehmen ihre eigene Kultur ernster nehmen?

Strobl:
Vertrauen war immer schon der Kitt, der alles zusammenhält. Das bedeutet aber auch, Sand im Getriebe zu haben, wenn zu wenig Vertrauen herrscht. Wenn Sie das Thema Komplexität ansprechen: Ja, aber wir sollten die Dinge sortenrein anschauen: kompliziert ist nicht gleich komplex. Wenn ich mich mit komplizierten Dingen beschäftige, kann ich mit Recherche und Bemühen Zusammenhänge in ihrer Ursache und Wirkung erschließen. Das mag manchmal recht mühsam sein, ist aber prinzipiell möglich. In der komplexen Welt heute, in der wir leben, lassen sich oft Ursache und Wirkung gar nicht mehr herleiten und identifizieren. Schlimmer noch: Wenn ich etwas an einer einzelnen Person oder an einem einzelnen Sachverhalt festmache, trivialisiere ich. Das bedeutet wiederum, dass ich komplett danebenliegen kann.

Das Thema Industrie 4.0 sehe ich auf einer komplizierten Ebene. Unser Gehirn 1.0 dagegen bildet ein komplexes Umfeld. Ich sag das jetzt einmal plakativ: Wir haben mit den Smartphones und anderen elektronischen Geräten gerade einmal den Faustkeil ersetzt. Psychosozial funktioniert der Mensch trotzdem noch wie in der Steinzeit. Die unaufhörlich wachsenden Möglichkeiten führen dann zur Überforderung. Wenn man aber mit etwas überfordert ist, greift man auf erlernte Muster zurück. Das funktioniert heute genauso wie damals am Lagerfeuer: Man wählt den Angriff, die Flucht, oder man stellt sich tot.

Report: Sie sprechen von den typischen menschlichen Verhaltensweisen im Projektgeschäft?

Strobl:
Ob sich die Teilnehmer eines Projekts vertrauen oder ob sie einander misstrauen, macht den großen Unterschied aus. Wenn das Vertrauen fehlt, können Sie alle ihre Gantt-Charts und Projekt-Management-Systeme vergessen.

Report: Wie lässt sich das Vertrauen in Organisationen verbessern? Welche Maßnahmen führen ehestmöglich zum Erfolg?

Strobl:
Man muss von oben anfangen. Maßnahmen gehen die Führungsriege durchzusetzen wird nicht funktionieren. Das bedeutet aber keineswegs, dass umgekehrt die Führungsmannschaft per se alle nötigen Steuerungsmöglichkeiten in der Hand hat. Es gibt aber kein Allheilmittel. Jede Unternehmenskultur und jeder Zugang zu diesem Thema ist anders.

Ich empfehle in einem ersten Schritt, dass sich Führungskräfte ein Selbst-Bewusstsein – mit Betonung auf dem Bindestrich ­– über die eigene Kultur schaffen. Wenn man sich ständig nur im eigenen Habitat bewegt, ist das naturgemäß gar nicht so einfach. Eine Chance bieten hier vielleicht Mitarbeiter, die neu ins Unternehmen kommen. Sie sind noch nicht angepasst, können vieles noch ohne die typische Prägung wahrnehmen.

Dann gibt es sehr wohl Werkzeuge, mit denen man von außen auf ein Unternehmen schauen kann. Das Wichtigste ist aber, dass sich die Kulturträger selbst ein Bewusstsein über ihre eigene Kultur schaffen. Von diesem Ist-Zustand wird dann ein Soll-Zustand entschieden und abgeleitet. Da kann es natürlich hilfreich sein, wenn ein paar Impulse auch von außen kommen.

Report: Welche Unternehmen hinterfragen denn nun ihre Kultur? Aus welchen Situationen heraus passiert dies?

Strobl: Allerorts wird umstrukturiert, viele Organisationen befinden sich in einem permanenten Veränderungsprozess. Ich werde in meiner Rolle als Wirtschaftsmediator oft zu Moderationen bei einer Konfliktbereinigung gerufen. Es gibt meist einen bestimmten Anlassfall, ein Problem, das bei näherem Hinterfragen aber anderswo wurzelt. Da lohnt es sich für Unternehmen mitunter, tiefer zu gehen – um nicht nur ein Symptom zu bekämpfen, sondern nachhaltig Veränderungen zu schaffen.

Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ich zu einem Mobbingvorwurf in ein Unternehmen geholt wurde. Es hatte sich dann schnell herausgestellt, dass durch unterschiedliche Erwartungen aneinander über die Zeit viele Missverständnisse kumuliert waren. Sie würden nicht glauben, wie oft aus ungeklärten Erwartungshaltungen Konflikte entstehen können. Meist sind es einfache Anlassfälle, die man mit einem einfachen »Wie hast du das jetzt gemeint?« rasch aufklären könnte.

Report: Den Input von außen anzunehmen – gerade beim Thema Unternehmenskultur –, das ist für Führungskräfte sicherlich nicht immer einfach.

Strobl: Ein externer Begleiter sollte sich eher in einer Art Moderationsrolle einbringen und den konstruktiven Dialog fördern – zum Beispiel darüber, was eine Unternehmenskultur überhaupt ausmacht. Am Ende des Tages landen wir meistens bei dem Kulturebenen-Modell nach Edgar Schein: Alles, was sichtbar ist – Büroausstattung und Kleidung, ob Anzug- oder Weißsockenträger –, bildet die erste Ebene in der Beschreibung einer Unternehmenskultur. Die zweite Ebene betrifft die Verkehrsschilder in einer Organisation: Gebote und Verbote. Dann gibt es aber eine dritte Ebene, die Werte betreffend. Diese sind ebenfalls diskutierbar, aber erschließen sich nicht so leicht und sind darüber hinaus oft auch sehr kontroversiell in der Diskussion. Sie können sich vorstellen, dass die Werte einer Investmentbank anders als jene bei der Caritas sind. Das Schlimmste wäre nun, künstlich Leitbilder zu produzieren und zu plakatieren – hintenherum aber völlig anders zu handeln. Da wäre es besser, gar keine Leitbilder groß zu veröffentlichen.


Zur Person
Herbert Strobl war 14 Jahre bei der OMV tätig. Unter anderem verantwortete er die Gründung des Gashubs in Baumgarten mit und war Geschäftsführer von OMV Cogeneration. 2004 wechselte der ausgebildete Jurist und Übersetzer zu RWE Transgas und ist seit 2007 selbstständiger Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkten auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur.

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