Logo
Print this page

»Die Tore, die man selbst nicht schießt, bekommt man«

»Die Tore, die man selbst nicht schießt, bekommt man«

Leonhard Schitter, Vorstandssprecher der Salzburg AG, über das Schlagwort Digitalisierung, den Beginn des Umbaus in der Produktpalette und die Fähigkeit zur Innovation in der Energiewirtschaft.

(+) plus: Digitalisierung ist das Zauberwort für Veränderung auch in der Energiebranche. Welche Erwartungen haben Sie hierzu für die Salzburg AG und ihre Kunden?

Schitter: Die Energiewirtschaft der Zukunft wird ein völlig verändertes Gesicht haben. Alte Modelle dienen aus. Aus Kunden werden Stromproduzenten, aus Lieferanten werden Konkurrenten, Fonds werden zu Kraftwerksbetreibern und neue Konkurrenz kommt aus branchenfremden Sektoren. Mit der Digitalisierung verändert sich das Kerngeschäft der Energiebranche komplett. Unsere Branche steht vor einem Paradigmenwechsel. Mit dem Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien wollen wir unsere Kunden dabei unterstützen, auch einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Die Digitalisierung eröffnet Chancen und Risiken. Aber die Tore, die man selbst nicht schießt, bekommt man! Daher entwickeln wir aktuell eine neue Produktwelt für unsere Kunden.

Ist die Digitalisierung das Zauberwort, der Schlüssel zum Erfolg? Ich bin der Meinung: ja. Doch hier steht die Energiewirtschaft erst am Anfang. Auch, wenn das Thema derzeit die komplette Branche beherrscht. Wir haben dafür im vergangenen Jahr ein unternehmenseigenes Innovationsprogramm gestartet. Dabei setzen wir den Fokus auf neue Produktwelten, neue Touchpoints für Kunden, eine unternehmenseigene Innovationsplattform und regelmäßige Innovationswettbewerbe. Zusätzlich werden wir den öffentlichen Diskurs und die Kooperation mit Start-ups zu relevanten Themen stärken, und das über Branchen- und Landesgrenzen hinaus.

Als Full-Service-Dienstleister muss sich die Salzburg AG den neuen technologischen Herausforderungen stellen und am weiteren Ausbau der Digitalisierungskompetenzen und zukunftsweisenden Technologien arbeiten, denn in Zukunft werden wir nicht mehr nur Kilowattstunden verkaufen, sondern neue Produktwelten und Dienstleis­tungen, die unseren Kunden beim Managen ihres Energiebedarfs, eigentlich ihres gesamten Wohn- und Lebensumfeldes, helfen oder ihnen das völlig abnehmen. Es geht also noch stärker in Richtung Gesamtlösungspakete. Durch die Digitalisierung kann vieles verknüpft werden. Unsere Mobilitätsangebote, ob das unser E-Carsharing, unsere Elektromobilitätsprodukte oder unsere öffentlichen Verkehrsmittel sind, werden durch unsere Telekommunikationsangebote mit den Energieprodukten verbunden werden. Der Kunde bekommt Gesamtlösungen mit einem individuellen, für ihn passenden Preis.

(+) plus:  Was bedeutet die Digitalisierung für die Verteilnetze?

Schitter: Die dynamischen Marktbedingungen in der Erzeugung und die hohen Ansprüche der Kunden werden im Verteilernetz die Entwicklungen weiter vorantreiben. Durch die mittlerweile hohe Verfügbarkeit von Smart-Grid-Technologien wird die Digitalisierung für den Verteilnetzbetreiber zum Schlüsselfaktor in der Automatisierung. Digitalisierung ist somit für den Verteilnetzbetreiber der wichtigste Treiber für eine weiterhin hohe Systemverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit in der Energieverteilung.

(+) plus: Sie setzten sich mit dem Thema Innovation in einem »Innovation Summit« in Salzburg im Oktober auseinander. Brauchen größere Unternehmen hier die Zusammenarbeit mit Start-ups, mit kleineren Firmen?

Schitter: Ich bin davon überzeugt, dass wir stärker in Kooperationen gehen müssen. Und wir müssen jetzt vieles neu lernen. Das Thema Digitalisierung ist so herausfordernd und umfassend, dass das nur mit neuen Ideen, die auch von außen kommen, zu bewerkstelligen sein wird. Und es verändert unsere gesamte Unternehmenskultur. Wir glauben, die Weichen jetzt einmal gestellt zu haben. Schon vor einigen Jahren haben wir uns für Kooperationen mit Start-ups geöffnet. Zum Beispiel steht hinter dem Projekt unserer »virtuellen Kraftwerke« eine längere Entwicklungsphase und die Zusammenarbeit mit einem jungen österreichischen Unternehmen.

Das Kernstück der virtuellen Kraftwerke sind die smarten Algorithmen eines innovativen Start-ups aus der IT-Branche, mit dessen Softwarelösung die Vernetzung und Steuerung kleiner Stromerzeugungs-Einheiten erfolgt. Aber wir brauchen die Zusammenarbeit und die Ideengebung in allen unseren Geschäftsbereichen – egal ob im Vertrieb, dem Energiehandel oder der Mobilität. Externe Unternehmen, insbesondere Start-ups, beschäftigen sich heute mit der Lösung von Problemen, die wir so oft noch gar nicht sehen. Warum also nicht auch mit externen Partnern neue digitale Lösungen entwickeln? Genau das tun wir jetzt.

(+) plus:  Wenn Sie einen Wunsch an die österreichische und an die europäische Energiepolitik frei hätten: Wie sähen diese Wünsche aus?

Schitter: 2017 wird energiepolitisch wirklich spannend: Das Winterpaket der Europäischen Union, die geplante Energie- und Klimastrategie Österreichs, die Reform des Ökostromgesetzes und regulatorischen Themen sind nur einige Schlagworte.  Zum EU-Winterpaket: durch den europaweit massiven Ausbau der erneuerbaren Energien von bis zu 50 Prozent Ökostromanteil wird es notwendig, die Strommarktstrukturen entsprechend anzupassen. Um die Kos­ten der Energiewende zu begrenzen, ist es erforderlich, wieder eine stärkere Orientierung am Markt vorzunehmen.

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und die damit verbundenen starken Schwankungen in der Stromproduktion muss unbedingt auch ein grenzüberschreitender Intra-Day-Handel etabliert werden. Das muss durch eine sukzessive Anpassung des Strommarktdesigns gewährleistet werden. Geht es nach der EU-Kommission, sind die Ökostromproduzentern inzwischen wettbewerbsfähig genug, sodass der Einsatz der Kraftwerke künftig streng nach der »merit order« erfolgen muss. Ausgenommen davon können nur die Kleinstproduzenten sein, also der Privathaushalt mit Photovoltaikanlage. Im Falle der Überlastung der Stromnetze muss es weiterhin eine klare Regelung für die Abschaltung der Erzeugung geben, die die Erneuerbaren besserstellen sollte, vorausgesetzt, die Kosten sind nicht unangemessen hoch.

In Österreich sehe ich die Notwendigkeit, mit der neuen Energie- und Klimastrategie und der Reformierung des Ökostromgesetzes den Bestand und den weiteren Ausbau von Ökoanlagen behutsam zu ermöglichen. So können wir beispielsweise derzeit ein zweites Biomasse-Heizkraftwerk in Wals-Siezenheim – zur Steigerung unserer Ökostrom- und erneuerbaren Fernwärmeerzeugung – aufgrund des ausgeschöpften Förderbudgets nicht bauen. Des Weiteren müssen die bestehenden hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aufgrund der derzeitigen schlechten Rahmenbedingungen am Strommarkt zeitlich begrenzt unterstützt werden. Damit würde die für die Erreichung der Klima- und Energieeffizienzziele wichtige Fernwärmeversorgung in den Ballungszentren abgesichert werden.

Zur gemeinsamen Preiszone lautet mein Wunsch an die deutsche respektive europäische Energiepolitik, dass die Pläne zur Trennung wieder zurückgenommen werden. Nicht eine Abschottung, sondern der gemeinsame Strombinnenmarkt muss die Zukunft sein.

(+) plus:  Was sind die Wachstumsthemen bei der Salzburg  AG?

Schitter: Die Salzburg AG hat ein in Österreich einzigartiges Portfolio bestehend aus den Bereichen Energie, Mobilität und Telekommunikation. Diese Bereiche und unsere Produkte noch stärker zum Nutzen unserer Kunden zu verknüpfen und weiter auszubauen, wird die Hauptaufgabe der nächsten Monate sein. Wir haben im vergangenen Jahr dafür intern die Weichen neu gestellt. Seit 1. Jänner 2017 gibt es einen Gesamtvertrieb für unser vielfältiges Produktportfolio. Als Full-Service-Dienstleister werden wir unseren Kunden All-Inclusive-Pakete bieten.

Die ersten Highlights können sich schon sehen lassen: Seit Herbst bieten wir mit »Heimo« eine selbst weiterentwickelte Smart-Home-Lösung an, mit der unsere Kunden das eigene Haus – Heizung, Wasser, Licht – komfortabel mit einer App smart und energieeffizient steuern können. Demnächst werden wir mit modularen Systemangeboten, wie beispielsweise einem Häuslbauer-Paket, das Dienstleistungen wie Energieausweis und Energieberatung beinhaltet, auf den Markt kommen. Die Kundenresonanz ist schon im Vorfeld sehr groß. Kombiangebote, und da insbesondere in Verbindung mit Telekom-Varianten, also generell der Ausbau der Produkt­angebote und der Energiedienstleistungen, sind für uns klare Wachstumsthemen. Und je digitaler, desto besser.

Über das Unternehmen

Die Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation bietet Dienstleistungen rund um Strom, Erdgas, Fern- und Nahwärme, Verkehr sowie Kabel-TV, Internet und Telefonie an.
Das Eigentumsverhältnis: 42,56 % Land Salzburg, 31,31% Stadt Salzburg und 26,13% Energie AG Oberösterreich.
Im Geschäftsjahr 2015 wurden mit rund 2.000 Mitarbeitern 1,22 Mrd. Euro Umsatz verzeichnet. Mit einer Investitionssumme von 115,7 Mio. Euro war die Salzburg AG auch 2015 ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor im Bundesland.

Latest from Martin Szelgrad

Content: REPORT MEDIA Joomla Template designed by GavickPro