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Abgelehnt

Nach einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs besteht bei Individualsoftware im Zweifel keine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes. Der Wiener Universitätsprofessor Wolfgang Zankl, Leiter des \"europäischen zentrums für e-commerce und internetrecht\", stimmt dem grundsätzlich zu. Der Prozess zeige aber einmal mehr, wie wichtig es gerade im Bereich der noch rechtsunsicheren Informationstechnologie ist, klare und eindeutige vertragliche Regelungen zu treffen.

Ob und inwieweit beim Erwerb von Software auch ein Recht auf den Quellcode besteht, war bisher mangels einschlägiger Judikatur in österreich nicht ganz eindeutig. Als gesichert galt nur, dass beim Vertrieb von Standardsoftware keine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes besteht. Nun hat sich der Oberste Gerichtshof auch mit der Rechtslage bei Individualsoftware beschäftigt. Nach dem Sachverhalt der Entscheidung 9 Ob 81/04h beauftragte die Beklagte den Kläger mit der Erstellung eines Softwareprogramms für Physio- und Trainingstherapie. Das Programm sollte vorerst offline in Betrieb genommen werden; eine Online-Verbindung für mehrere Therapieinstitute war im Gespräch, aber noch nicht Gegenstand der vorliegenden Vereinbarung. Der Kläger lieferte der Beklagten das Programm. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung, weil das Programm angeblich mangelhaft war und ihr der Quellcode für das Softwareprogramm nicht überlassen worden sei.

Der Oberste Gerichtshof stellt zunächst klar, dass es sich bei der Programmierung von Individualsoftware um einen so genannten Werkvertrag handelt, bei dem - zum Unterschied vom Kaufvertrag - keine Rügepflicht besteht. Die Rügepflicht bedeutet, dass ein Kaufmann bei sonstigem Verlust seiner Gewährleistungsansprüche die Ware unverzüglich untersuchen und allfällige Mängel anzeigen muss (§ 377 Handelsgesetzbuch). Dies gilt also bei Individualsoftware nicht.

Die Frage, ob aus einem Softwareerstellungsvertrag die überlassung des Quellcodes geschuldet wird, hängt - so der Oberste Gerichtshof weiter - primär von den getroffenen Vereinbarungen ab, wobei auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung eine am Zweck des Vertrages orientierte Auslegung zu einer Herausgabeverpflichtung des Herstellers führen kann. Angesichts des legitimen Interesses des Herstellers am Schutz seiner Programme und des darin verkörperten Werts sei bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung aber Zurückhaltung bei der Bejahung der Herausgabepflicht angebracht, weil es nicht sachgerecht wäre, ohne deutliche Hinweise im Vertrag, aus denen ein entsprechender Parteiwille ableitbar ist, dem Hersteller einen Vertragsinhalt aufzuzwingen, den er - wäre die Frage besprochen worden - nicht oder nur gegen höheres Entgelt akzeptiert hätte. Aus diesen Erwägungen heraus wurde die Herausgabepflicht im gegenständlichen Fall angelehnt, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte bestanden, aus denen auf eine Verpflichtung des Klägers, den Quellcode herauszugeben, geschlossen werden könnte.

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