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Ungewisser Grossversuch

»Wer im Glashaus sitzt, der schwitzt«, meint der deutsche Bauphysiker Karl Gertis, ehemaliger Vorstand des renommierten Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, despektierlich zur in letzter Zeit ausgebrochenen Diskussion rund um die Sinnhaftigkeit von Ganzglasfassaden auf Bürotürmen. Für ihn sind die in den letzten Jahren modern gewordenen und aus Projektentwickler- und Architektensicht verführerischen Glaspaläste schlicht und einfach Energieschleudern, die in ein paar Jahren nicht mehr gebaut werden können.
Der Grund für seine apokalyptische Vision: Mit der seit Anfang Februar in Kraft getretenen Gebäuderichtlinie soll die Energieeffizienz eines Gebäudes ganzheitlich bewertet werden. Das heißt, dass auch im Gewerbeimmobilienbereich nicht nur Errichtungskosten und Vermietungsgrad, sondern auch der Energieverbrauch über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes den Wert der Immobilie mitbestimmen. Und da würden die verglasten Bürotürme ganz schlecht abschneiden: Im Sommer nämlich müssen solche Gebäude enorme Mengen an Energie für Klimatisierungstechniken aufwenden, um die in das Gebäudeinnere eingebrachte Wärmeenergie mechanisch wegzubringen, ist sich die Bauphysik einig. Dazu kommt die von den Nutzern als unbehaglich empfundene Kälteabstrahlung der Glasflächen im Winter, die durch Bauteile mit wenig bis gar keiner Speichermasse noch verschärft wird - eine Erfahrung, die im letzten Jahr auch die Betreiber des Vienna Twin Towers am Wienerberg machen mussten. Wie der Report exklusiv berichtete, musste die Einfachverglasung innen mit Glaspaneelen aufgedoppelt werden.

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