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Café-Banking

Flagship-Filiale der Bank Austria in Salzburg. Flagship-Filiale der Bank Austria in Salzburg. Foto: Bank Austria

Junge Kunden kennen Banken meist nur noch von außen. Jede dritte Filiale ist nach Einschätzung von Branchenexperten überflüssig. Mit innovativen Design- und Beratungskonzepten sucht das Bankgeschäft vor Ort neue Wege.

2013 wurden in Europa mehr als 4.500 Retail-Bankfilialen geschlossen, knapp dreimal so viel wie in den Jahren zuvor. In Österreich schlossen 450 Filialen ihre Pforten. Die heimischen Banken finden sich im »Retail Banking Radar 2014« der Unternehmensberatung A.T. Kearney unter den Instituten mit der ungünstigsten Relation zwischen Erträgen und Kosten. Steigende Kosten und niedrigere Erträge pro Kunde – das kann sich nicht mehr lange rechnen. Alle heimischen Großbanken zogen bereits vor einigen Jahren die Notbremse und fahren drastische Sparprogramme. Der gewünschte Effekt stellte sich allerdings nicht immer ein.

»Interessanterweise zeigen unsere Ergebnisse praktisch keine Korrelation zwischen Stellenabbau und Kosten, obwohl die Personalkosten bei den meisten europäischen Retail-Banken mindestens die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen«, erläutert A.T. Kearney-Partnerin Daniela Chikova. »Wir gehen davon aus, dass viele Banken, die effektiv Kosten eingespart haben, die daraus resultierenden Gewinne reinvestiert haben und sich für größere Umstrukturierungen rüsten.«

Bankensterben
Auch der Internationale Währungsfonds äußerte im Vorjahr Bedenken hinsichtlich der Profitabilität der österreichischen Banken. Die Margen im Inlandsgeschäft liegen deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Die fetten Gewinne in Osteuropa besserten in der Vergangenheit die magere Bilanz auf – das ist inzwischen auch Geschichte.

Insbesondere das Privatkundensegment schrumpft seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 Jahr für Jahr. Große Sorgen bereitet vor allem die sinkende Sparquote – ein Resultat der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Das Rückgrat vieler kleiner Filialen war aber gerade dieses klassische Einlagengeschäft mit Spareinlagen unter 50.000 Euro. Die sogenannten »Standardkunden« bescherten den Banken im Vorjahr noch Erträge von 2,6 Milliarden Euro. Die Boston Consulting Group (BCG) schätzt bis 2018 einen Rückgang auf zwei Milliarden Euro. Jede dritte Bankfiliale wird zusperren müssen.

Laut einer Branchenuntersuchung gibt es in Österreich derzeit noch etwa 4.100 Bankfilialen, auf die rechnerisch jeweils nur 1.700 Kunden entfallen. Holger Sachse, Bankenexperte der BCG, spricht in diesem Zusammenhang von »Zombie-Filialen« – ohne einen einzigen Kunden pro Tag. Im internationalen Vergleich gilt Österreich als »overbanked«. In Großbritannien kommen auf eine Filiale 4.600 Kunden, in den Niederlanden sogar 6.400.

Nur 2 % der Kontakte, die ein Kunde mit seinem Geldinstitut hat, spielen sich auch tatsächlich in einer Bankfiliale ab. Der Handel kämpft seit Jahren mit ähnlichen Problemen – das Einkaufsverhalten verlagert sich zunehmend Richtung Online, während der stationäre Handel über gähnend leere, teure Flächen klagt und bei Image und Wohlfühlfaktor ansetzt. Mehr Atmosphäre und eine längst überfällige Modernisierung sollen auch in die Banken wieder mehr Kunden locken.

»Die Kunden sind durch innovative Angebote und Agilität in anderen Branchen verwöhnt«, meint Marco Adelt, Senior Project Manager der Managementberatung Horváth & Partners. »Sie wollen rund um die Uhr Finanzgeschäfte tätigen können und selbst entscheiden, wann und auf welchem Weg sie mit ihrem Finanzdienstleister in Kontakt treten.«

Beratung per Video
Um die Rückgänge bei den Erträgen aufzufangen, entwickeln die Banken in ihrer Not völlig neue Geschäftsmodelle. Beim Filmfestival am Wiener Rathausplatz erprobte UniCredit im vergangenen Sommer erstmals eine Pop-up-Filiale. Rund um die Uhr konnten Kunden Bankomat, Infoscreens und Gratis-WLAN nutzen, zwischen 12 und 14 Uhr sowie von 18 bis 21 Uhr standen auch Berater zur Verfügung. Das Konzept einer »mobilen Filiale« soll künftig auch bei Großveranstaltungen in Deutschland und Italien zum Einsatz kommen.

In der neu designten Bank Austria-Filiale in der Wiedner Hauptstraße verknüpft man indessen moderne Technologien mit einem neuen Betreuungskonzept. Der Selbstbedienungsbereich ist mit interaktiven Screens und Info-Tablets ausgestattet. Die Kundenberater sind auf Geldanlage und Finanzierungen spezialisiert, zusätzlich können bei Bedarf Experten für Leasing, Fonds oder Versicherungen per Videokonferenz dazugeschaltet werden. Der Umbau weiterer Standorte, auch in den Bundesländern, ist in Gang. Im März erfolgte die Eröffnung der Flagshipfiliale in Salzburg, ein zweistöckiges Beratungszentrum mit 1.600 m²
Fläche, das bei verlängerten Öffnungszeiten individuelle Betreuung für alle Kundengruppen – Privat- und Firmenkunden sowie Private Banking – bietet. In die Neugestaltung und technische Ausstattung der bestehenden Filialen und den Ausbau von SmartBanking investiert die UniCredit mehr als 100 Millionen Euro. Bis 2018 soll das gesamte Filialnetz technisch aufgewertet sein. »Mit dieser Strategie planen wir auch ganz klar neue Kundenzuwächse, indem wir mit dem besten Kundenangebot auf dem Markt neue Wachstumsperspektiven eröffnen«, betont Helmut Bernkopf, Bank Austria-Vorstand für Privat- und Firmenkunden.

Zukunftslabor
Die Bawag P:S.K. steht ebenfalls mitten in einer Modernisierungsphase. Gemeinsam mit der Österreichischen Post AG werden die über 500 Filialen in ganz Österreich unter einem Dach zusammengeführt. Ein besonderes Service-Zuckerl sind dabei die Samstag-Öffnungszeiten.

Die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich kontert dem Trend zum Online-Banking mit einer besonderen Form von »Beziehungs-Banking«. Jedem Kunden wird ein konkreter Mitarbeiter zugeordnet, um zu verhindern, dass man seine Geschichte jedes Mal auf Neue erzählen muss. In einem »individuellen Leistungsversprechen« wird außerdem festgelegt, wie oft Kontakt oder ein Beratungsgespräch gewünscht sind.

Einem »Future Lab« gleicht die Erste Bank-Filiale in der Lerchenfelder Straße in Wien. Eine Kaffeebar und Stehpulte mit Tablets ersetzen dort die üblichen Schreibtische und Kassenschalter. In der Kinderecke spielen die Kleinen, während die Eltern ihre Bankgeschäfte erledigen. Die These dahinter: Standards wie Überweisungen, Daueraufträge oder Kontoauszüge werden zunehmend via Smartphone oder Computer durchgeführt. Kompliziertere Entscheidungen, etwa Finanzierungslösungen oder Vermögensanlage, bedürfen aber persönlicher Betreuung, die auf die Arbeitszeiten berufstätiger Kunden Rücksicht nimmt. Die betont lockere Atmosphäre spiegelt sich auch in der Kleidung der Bankmitarbeiter wider – Anzug und Krawatte haben ausgedient, es darf auch mal ein Polo-Shirt sein.

Ohne Schnickschnack
Designtempel als Flagships und multifunktionelle Infotainment-Center – ist das ein probates Rezept, um das Bankensterben aufzuhalten? Nicht bei allen Kunden stoßen die Innovationen auf Gegenliebe. Einfache, klare Produkte werden dem Schnickschnack rundherum vorgezogen. Bei einer im Oktober 2014 durchgeführten Onlinebefragung der Arbeiterkammer wünschte sich die überwiegende Mehrheit bei Bankgeschäften in erster Linie Kostenklarheit, Risikoaufklärung und – ganz explizit – keine unerwünschten Zusatzangebote. Zumindest unter den 1.035 Befragten schätzen viele den raschen Kontakt zu einer kompetenten Ansprechperson in der Nähe ihres Arbeitsplatzes oder Wohnorts, notfalls auch per E-Mail oder App. Vielleicht ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Banken: Das persönliche Beratungsgespräch hat noch nicht ganz ausgedient.

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