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Startschuss für das große Filialsterben

Dienstleistung via IT und Internet soll menschliche Ressourcen ersetzen. Die ­«virtuelle Filiale« erfreut auch Software-Anbieter. Dienstleistung via IT und Internet soll menschliche Ressourcen ersetzen. Die ­«virtuelle Filiale« erfreut auch Software-Anbieter. photos.com

Die Filialstruktur der heimischen Banken ist barock, eine Bereinigung wurde schon lange prophezeit. Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass der Kahlschlag bevorsteht. Was die Banken planen, was das für die Kunden heißt.

 

Von Heinz van Saanen.

 

Banker sind die bösen Buben. Zuerst haben sie uns die Finanzmarktkrisen eingebrockt. Und damit die durchgeknallten Zockermärkte nicht abrauchen, griffen die Staaten tief ins Börsl der Steuerzahler. Als Resultat haben wir jetzt auch noch die Staatsschuldenkrisen. Dafür läuft die Boni-Maschinerie, als wäre nichts gewesen, schon wieder auf Hochtouren. So ungefähr dürfte die Meinung breiterer Gesellschaftsschichten zu den Banken lauten.

Wenn es bei den Top-Bankern dann nicht so rund läuft, wird auch in konservativen Medien wie der Welt fast schon gejubelt. Das renommierte Blatt, im Stil sonst eher trocken und aufregend wie eingeschlafene Füße, knallte im August etwa eine knackige Headline hin: »Investmentbanker lernen das Zittern«. Die Story hielt das boulevardeske Versprechen. Endlich wird es hinter den glänzenden Frankfurter Glaspalastfassaden allmählich leer! Und endlich streichen die Banken nicht nur beim Fußvolk, sondern schicken auch ihre entzauberten Manager zum Arbeitsamt. Aber da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens, denn ganz ausgehen dürfte sich das nicht. Seit Sommer bricht für die Bankmitarbeiter weltweit eine Hiobsbotschaft nach der nächsten herein. So viele Bosse haben die Banken gar nicht, als dass nicht wieder die die kleinen Mitarbeiter die Suppe auslöffeln müssen. Folgend nur ein kleiner Auszug aus der Chronik des Schreckens.

Im Frühsommer wurde noch kolportiert, dass die Deutsche Bank rund 1.000 Invest­mentbanker abbaut. Im September sprach ein Vorstand bereits von einem Stellenabbau, der »über das das bislang bekannte Ausmaß hinausgeht«. Seither schwirren Zahlen von bis zu 7.000 betroffenen Mitarbeitern durch die Medien. Die Schweizer Großbank UBS legte im Oktober nach und kündigte bis 2015 die Einsparung von rund 10.000 Mitarbeitern an. Die UBS macht tatsächlich vor den Bossen nicht Halt. Laut Bloomberg wird auch der Cheftrader der CDS-Abteilung künftig durch Computersoftware ersetzt. Vielleicht werden die giftigen CDS-Papierln dann noch schneller gehandelt als bisher. Die Bank-Austria-Mutter UniCredit, ohnehin seit Jahren beim Abspecken, soll in Italien bis 2015 3.000 Stellen einsparen.

Geklotzt statt gekleckert wird auch in den USA. Erst vor wenigen Tagen kündigte der neue Chef der Großbank Citigroup an, 11.000 Jobs zu streichen. Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Um es abzukürzen: Es gibt kaum mehr eine Großbank, die beim Personal nicht den Sparstift angesetzt hat oder nicht vorhat, das in Zukunft vermehrt zu tun. Die Gründe sind überall ähnlich: Das ehemals gefeierte Investmentbanking liegt am Boden, im Privatkundengeschäft sind die Margen knapp und Bankfilialen dürfte es auch immer noch zu viele geben.

>> Sparstift in Österreich <<

Österreich bleibt diesmal kein Land der Seligen. Auch dem heimischen Bankensektor wird in den nächsten Jahren ein tiefgreifender Strukturwandel wohl kaum erspart bleiben. Ungewöhnlich offen und detailliert sprach darüber jüngst Bank-Austria-Chef Willibald Cernko im Klub der Wirtschaftspublizisten. Die Bank Austria müsse ihre Geschäftsmodelle »teilweise radikal neu definieren«, die aktuell 360 Filialen werden in den nächsten Jahren »einigermaßen deutlich« zurückgefahren werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Zahl der BA-Bankstellen um ein Drittel schrumpfen. Auch der Personalstand werde fallen. Um wie viel, ließ Cernko offen, wohl um den Betriebsrat nicht schon im Vorfeld zu vergrätzen. Da bei der BA aber ohnehin 2014 Pensionierungswellen anstehen, hofft Cernko beim Abbau ohne Kündigungen auszukommen. Darüber hinaus suche man Partner für das Filialgeschäft.

Letzteres dürfte aber auch kein Allheilmittel sein. Die Bawag-PSK sitzt etwa mit der Post gar seit 1997 im Boot. 2010 wurde der alte Kooperationsvertrag bis 2020 verlängert. Das Endziel sind 520 gemeinsame Standorte, wo Bawag und Post unter einem Dach Post- und Bankdienstleistungen anbieten. Alte Bawag-Kunden müssen sich umgewöhnen: Statt einer klassischen Filiale mit Kassenschaltern gibt es jetzt nach einer Zusammenlegung bisweilen eine bunte Ansammlung von Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern in ehemaligen Anliefereingängen einer Postfiliale. Garniert mit ein paar Beratungstischen im repräsentativeren Verkaufsbereich der Post.

Manchmal Erlebnisfaktor inklusive: Wer dort seine Bankgeschäfte abwickelt, tut das schon einmal direkt neben einer langen Schlange von genervten Postkunden, die ihre Empörung über die ewige Warterei vor den Postschaltern lautstark ausdrücken. Vor einer weiteren Personalreduktion schützt aber auch die Zusammenlegung der Filialen nicht: Im September kündigte Bawag-Chef Byron Haynes via Nachrichtenagentur Bloomberg einen »signifikanten Stellenabbau« an. Kolportiert werden bis 700 Jobs, was aber offiziell nicht bestätigt wird.
Wie viele Jobs bei der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) noch am Spiel stehen, ist auch nicht ganz bekannt. Ganze Sparten wurden bereits stillgelegt oder zurückgefahren. Wenigstens weiß man ,wo das Ö im Namen herkommt: Der komatöse Patient ist nur deswegen noch nicht tot, weil er am Tropf der österreichischen Steuerzahler hängt. Abseits von Spezialfällen wie der ÖVAG hat der heimische Bankensektor aber ein generelles Strukturproblem. Die im Vergleich enorme Bankstellendichte ist in der Alpenrepublik so hoch wie kaum wo in Europa (Details siehe Kasten). Bekannt ist das Problem seit Anfang der 90er – und seit bald zehn bis 15 Jahren wird über eine fällige und notwendige Bereinigung gesprochen. Die wäre eigentlich spätestens mit der breiten Verfügbarkeit des Internets zu erwarten gewesen.

>> Schöne neue Bankenwelt <<

Dass es dazu noch nicht kam, liegt an Erfolgsgeschichten: Die heimischen Banken waren damit beschäftigt – nicht immer, aber meistens erfolgreich – rasant im Osten zu expandieren. So explodierte seit 2000 die Zahl der »EU-Töchter« von sieben auf 54. Bei der Bonanza im Osten wurden nicht nur massiv Marktanteile erobert, sondern über lange Zeit auch traumhafte Renditen eingefahren. Dass Personalabbau auch im Osten kein Tabu ist, demonstrierte Raiffeisen in Ungarn oder der Ukraine schon 2009. Vor einem Jahr baute Erste-Group-Chef Andreas Treichl im notorischen Krisenland Ungarn 450 Mitarbeiter ab. Treichls Wording dazu: »Anpassung an realwirtschaftliche Gegebenheiten«. Realwirtschaftlich begründet dürften auch die Personalreduktionen in Österreich sein. Die Bankstellendichte, seit Jahren statistisch eher nur unscharf erfasst, ist nur eine Seite der Medaille. Wo der Schuh drückt, sind die Kosten für den Personalaufwand insgesamt (siehe Grafik). Diese steigen seit Mitte der 90er linear, obwohl der Personalstand bis Mitte der Nullerjahre kontinuierlich fiel.

OeNB-Chef Ewald Nowotny ist üblicherweise kein Mann starker Worte. Vor zwei Jahren wurde er in einem gut versteckten Blog aber deutlich: Österreichs Bankensektor sei »overbanked und overbranched«, eine Strukturreform längst überfällig. Jetzt dürfte sie kommen – aber was wird sie bringen?

Neben der Reduktion von Filialen und Personal forcieren die Banken die schöne neue Netzwelt. Dienstleistung via IT und Internet soll menschliche Ressourcen ersetzen. BA-Chef Cernko will etwa »schauen«, ob er die Kunden nicht auf eine »viel smartere und effizientere Weise« erreichen kann. Etwa via Anlageberatung via Videokonferenz, was technisch bei der BA ab 2013 ausgerollt werden soll. Das Stichwort ist die »virtuelle Filiale«, was auch die Anbieter von Hard- und Software freut. Wincor Nixdorf ist etwa der IT-Lösungspartner für das neue Selbstbedienungsnetzwerk der Bawag-PSK-Filialoffensive und bietet ein »End-to-end-Angebot« auf der Basis offener und netzzentrierter Architekturen.

Zu kurz kommen darf natürlich auch nicht die schöne neue »App-Welt«. Wohin die Reise geht, zeigt etwa eine brandaktuelle Studie der deutschen Steria Mummert Consulting: Vor einem Jahr noch konnte sich kaum ein deutscher Bankmanager vorstellen, dass die »Apps« das Geschäft maßgeblich umkrempeln. Rund 80 Prozent der befragten Bankmanager verorteten lediglich einen neuen Kommunikationskanal zu den Kunden. Nur ein Jahr später ist es genau anders herum: Kaum ein deutscher Bankmanager kann sich mehr vorstellen, dass die »Apps« nicht zu einer tiefgreifenden Revolution des Geschäftes führen werden.


>> Das Land der Bankfilialen:

 

Last modified onMontag, 07 Januar 2013 14:30

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