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»Wenn’s aber einmal rennt, dann rennt’s« Featured

Jubiläumskunde. Für das Handelshaus Kiennast setzt Cornelia Daniel, Initiative »Tausendundein Dach«, eine 400 kWp große PV-Anlage um –und wird damit die nächste Etappe von bereits 700 Dachäquivalenten schaffen. Bild: Hannes Winkler Jubiläumskunde. Für das Handelshaus Kiennast setzt Cornelia Daniel, Initiative »Tausendundein Dach«, eine 400 kWp große PV-Anlage um –und wird damit die nächste Etappe von bereits 700 Dachäquivalenten schaffen. Bild: Hannes Winkler

Cornelia Daniel ist Geschäftsführerin von Dachgold und Visionärin der Initiative »Tausendundein Dach«. Sie spricht über Marktentwicklungen, die richtige Dimensionierung von PV-Anlagen und Chancen für Unternehmen.

Report: Wie ist das Geschäftsjahr 2020 für Sie gelaufen? Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf das PV-Anlagen-Geschäft?

Cornelia Daniel
: Die größte Auswirkung war eigentlich sehr positiv: Die von der Regierung ausgeschriebene aws-Investitionsprämie hat Mitte des Vorjahres einen nie da gewesenen Boom beim Bau neuer PV-Anlagen ausgelöst. Das Instrument zielt mit der Kombination von Investprämie plus Abschreibmöglichkeit sehr gut auf den Unternehmensbedarf ab. Auch die Anhebung der degressiven Abschreibung von 5 auf bis zu 30 % spielt jenen in die Hände, denen es trotz Corona gut geht und die auch in die Zukunft schauen wollen und können. Sie erkennen die Chance, mit einer Eigenstromerzeugung Kosten einzusparen und gleichzeitig nachhaltig zu wirtschaften, und investieren deshalb antizyklisch. Bei sinkenden Zinsniveaus ist Photovoltaik auch die ultimative Inflationsbremse. Denn man investiert hier in etwas, das ohnehin steigen wird – der Strompreis. Der möglichen Inflation durch die großen Geldmengen mit Markt kann mit PV wunderbar gegengesteuert werden.

Report: Welche Argumente herrschen in Unternehmen bei der Investition in eine Photovoltaik-Anlage vor?

Daniel:
Es ist definitiv ein Mix aus einer klaren Wirtschaftlichkeitsrechnung und dem Wunsch, in puncto Nachhaltigkeit aktiv zu werden. Ein Minusgeschäft darf die Errichtung von PV natürlich nicht werden, das würde sich kein Unternehmen leisten. Im schlimmsten Fall – aber das haben wir schon lange nicht mehr gehabt – ist ein PV-Projekt ein Nullsummenspiel, wenn der Strom zum gleichen Preis erzeugt wird, der auch im Einkauf schlagend wäre. In vielen Fällen aber erreichen Unternehmen über eine Laufzeit von 30 Jahren bis zu 50 % Ersparnis beim Strompreis. Das gilt für jenen Teil des Energiebedarfs, der mit der Erzeugung am eigenen Dach gedeckt werden kann.

Report: 30 Jahre sind freilich ein großer Zeitraum für Investitionsbetrachtungen. Welche Lebensdauer haben die einzelnen Komponenten von PV-Anlagen?

Daniel:
Die Erfahrungen zeigen, dass die Leistung der PV-Paneele kaum Rückläufe hat. Ich habe selbst seit acht Jahren eine Anlage, die heute so gut wie am ersten Tag funktioniert. Man kann das mit Dachfenstern vergleichen, die auch nicht so schnell kaputt werden. Ein Paneel ist baulich nichts anderes als ein Rahmen, der Glas umfasst und sehr gut hält, wenn dieser richtig verschweißt ist. Natürlich kalkulieren wir für den Projektzeitraum 2 - 3 % Re-Investitionskosten, um mit diesem Budget etwa den Wechselrichter nach 13 Jahren tauschen zu können.

Selbst wenn die Modulleistung über die Jahre etwas nachlässt – man merkt das fast nicht. Ein stärkeres Sonnenjahr macht das wieder wett und hat den bei weitem größeren Einfluss auf den Ertrag. Die Hersteller können aus diesem Grund auch Leistungsgarantien von 25 Jahren geben. Wenn etwas kaputt geht, dann passiert das meistens unmittelbar nach der Installation und ist ein ganz normaler Garantiefall. Auch Montags-Wechselrichter fallen üblicherweise im ersten Jahr aus. Wenn’s aber einmal rennt, dann rennt’s.

Report: Wie haben sich die Gesamtkosten von PV-Anlagen über die letzten Jahre entwickelt? Werden diese kontinuierlich geringer?

Daniel:
Wir hatten vor 2015 beständig sinkende Preise, sehen seitdem aber eine Abflachung der Kurve. Die Anlagenkomponenten werden günstiger, doch steigt das kollektivvertraglich festgelegte Lohnniveau in Österreich. Der Gesamtkostenteil der Arbeitskraft ist damit größer geworden, der Komponentenanteil kleiner – das hat das Preisniveau ein wenig verbessert, aber eben nicht in schwindelerregenden Größen. Ein größerer Faktor ist die Dimension einer Anlage – bei zunehmender Größe wirken sich die Herstellungskosten positiv aus. Da derzeit aber die Auslastung am PV-Markt überall relativ hoch ist, erwarte ich ein Verschwinden der Dumpingpreise der letzten Jahre.

Report: Gibt es genügend Solar-InstallateurInnen und -PlanerInnen hierzulande? Finden Sie Fachkräfte?

Daniel: Für das Ziel der Regierung des Baus von 1.000 MW jährlich haben wir definitiv zu wenig Fachpersonal. Viel wichtiger wäre aber, jetzt kontinuierlich wachsen zu können. Die Branche hat in den vergangenen Jahren 300 MW Ausbau jährlich geschafft. Wir bräuchten jetzt einmal 500 bis 600 MW und dann eine ständige Steigerung dessen.

Gerade jetzt hat Österreich die Chance auf deutlich mehr Nachfrage, als im Fördertopf bislang abgedeckt worden ist. Wenn man einen Wachstumskurs einschlagen will, sollten auch Unsicherheiten wie das Abrufen der OeMAG-Förderung gelöst werden. So ist derzeit eine Lösung ausständig für 200 MW Anlagenkapazität, die aktuell nicht bedient werden kann. Für uns als Planer und unsere Errichtungspartner bedeutet das, nicht zu wissen, ob wir heuer die volle Summe bauen können, oder nur die Hälfte. Wenn man solche Unsicherheiten in der Auslastung hat, tut man sich beim Einstellen von Leuten schwer. Die Unternehmen benötigen dringend einen planbaren Horizont und nicht diese Wellenbewegung, wie wir sie seit Jahren haben.

Man sollte den PV-Ausbau gerade in der Covid-Krise auch als Konjunkturprogramm und Jobmöglichkeit sehen. Und wir benötigen insgesamt – um einen größeren Schritt für die Klimaziele zu setzen – wesentlich mehr Fachkräfte bei den Erneuerbaren. Die schule ich am einfachsten, in dem ich sie bauen lasse. Die Projekte gäbe es dafür.

Report: Sie haben 2014 das Programm »Tausendundein Dach« ins Leben gerufen. Was ist der Zweck dieser Initiative?

Daniel:
Die Initiative ist Teil meiner Lebensvision einer Solaranlage auf jedem Firmendach. Der erste Schritt sind nun 1001 Dächer, die wir gemeinsam mit dem Anlagenspezialisten 10hoch4 für Gewerbekunden umsetzen. Wir können für unseren Kunden Projekte in sehr kurzer Zeit in einem Quickcheck skizzieren, beraten bei den technischen und finanziellen Optionen, planen, errichten und übergeben die Anlage schlüsselfertig mitsamt Netzanschluss. Es ist ein One-Stop-Shop für Unternehmen, die sich nicht selbst um das alles kümmern wollen.

Ein weiteres wichtiges Element der Initiative ist ein Netzwerk dieser Unternehmen, die wir als Role Models für die Wirtschaft präsentieren wollen. Wir zeigen gemeinsam mit unseren Kunden, dass sich Photovoltaik rentiert. Wir haben so viele tolle Unternehmer in diesem Netzwerk kennengelernt, die alle besondere Geschichten zu ihren Anlagen erzählen können.

Mit lediglich drei umgesetzten Dächern im ersten Jahr war 2014 das Ziel der Initiative noch eine völlige Utopie. Wir hatten uns damals einen Zeitraum von sieben Jahren gesetzt, gemäß einer Aussage von Bill Gates: Die meisten Menschen überschätzen, was sie in einem Jahr erreichen können und unterschätzen, was in sieben Jahren möglich ist.

Report: Bei wie vielen Dächern steht die Initiative heute?


Daniel:
Für das 100. Dach, eine Anlage bei der Firma Gugler, haben wir drei Jahre gebraucht. Eineinhalb Jahr später waren wir bei 200 Dachäquivalenten – ein Dach rechnen wir mit 20 kWp –, dann nur noch ein Jahr bis 300 beim Poolbauer Leidenfrost. 2019 sind wir mit 400 Dächern gestartet, trotz Corona haben wir im Juni 2020 die Zahl 500 mit der HanseMerkur Grundvermögen AG am Campus 21 erreicht. Das 600. Dach war bei Wittmann Möbel, das 700. ist nun das Handelshaus Kiennast mit einer größeren Anlage mit 400 kWp Leistung. Wir zeigen damit, dass sich Anlagen in den verschiedensten Größenordnungen hervorragend rechnen. Das Ziel der 1001 Dächer ist sehr greifbar geworden. Es geht nun auch eindeutig in Richtung größerer Anlagen.

Ob wird unser Ziel heuer noch erreichen, hängt nun von einem möglichst raschen Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes ab. Mit diesem werden die Rahmenbedingungen für die Errichtung und den Betrieb neuer PV-Anlagen festgelegt. Je klarer das Marktumfeld, desto mehr Projekte werden umgesetzt werden.

Anlagen bis 50 kW sind weiterhin optimal planbar, größere Projekte sind eher von den Investitionszuschüssen abhängig, die bei der OeMAG beanzutragen sind. Hier muss man derzeit schnell sein, weil nie klar ist, wie schnell die Fördergelder vergriffen sind.

Report: Bis zu welchem Teil decken Unternehmen ihren Strombedarf mit Eigenerzeugung? Was ist wirtschaftlich sinnvoll?

Daniel:
Man unterscheidet bei dieser Frage zwischen zwei Größen. Da ist zunächst der Eigenverbrauch der Photovoltaikanlage, also wie viel Strom des erzeugten Stroms vor Ort verbraucht werden kann. Hier eine volle Deckung zu erreichen, wird schwierig sein. Denn um niemals überschüssigen Strom ins Netz zu speisen, müsste eine Anlagengröße auf den Wochenendverbrauch eines Unternehmens dimensioniert sein. Wir sprechen deshalb von einem optimalen Eigenverbrauch von 80 % einer Anlage, wenn diese genau auf den Unternehmensbedarf an Werktagen ausgelegt ist.

Dann haben wir den Begriff des Eigenbedarfs eines Unternehmens: In der Regel sind PV-Anlagen wirtschaftlich gut dimensioniert, wenn diese gut 30 % der benötigten Strommenge decken. Das entspricht in etwa den tatsächlichen Sonnenstunden über Tag und Nacht sowie über alle Jahreszeiten. Es können sich unter Umständen auch Anlagen rechnen, die bei genügend Dachfläche dreimal so groß wie der Unternehmensverbrauch sind, da größere Anlagen per se wirtschaftlicher sind. Gleichzeitig haben wir Projekte mit kleineren Anlagen, die vielleicht nur 5 % des Eigenbedarfs abdecken. Die Bandbreite ist jedenfalls groß, wir haben hier die nötige Erfahrung und Berechnungsmodelle für die Kunden.

Report: Sind auch Stromspeicher bereits Teil Ihrer PV-Projekte?

Daniel:
Wir raten Unternehmenskunden, zunächst einmal auf die Errichtung einer PV-Anlage zu fokussieren. Im Gewerbebereich sind Speicher aus unserer Sicht noch kein Thema. Ich gehe davon aus, dass das in zwei Jahren anders ausschauen wird. Am Großspeichermarkt passiert derzeit viel, es kommen wöchentlich neue Produkte heraus. Während bei PV-Paneelen keine Preisentwicklung nach unten mehr zu erwarten ist, wird es diese bei den Speichern weiterhin geben.

Report: Wie wird sich der PV-Markt generell in den nächsten zwei Jahren in Österreich entwickeln?

Daniel: Ich bin optimistisch, dass sich mit der aws-Investitionsprämie der Markt heuer locker verdoppeln kann. Unternehmen können diese noch bis Ende Februar beantragen. Die Attraktivität von PV-Projekten für Investoren wird im weiteren Jahresverlauf mit dem dringend erwarteten EAG bestimmt werden. Mit einem raschen Beschluss des Gesetzes wäre sogar eine Verdreifachung des Gesamtmarktes möglich. Prinzipiell stehen weltweit die Prognosen für das Wachstum im PV-Markt und damit bei Paneelen sehr gut.

Photovoltaik produziert in Österreich Strom für 5 bis 6 Cent pro kWh. Unter diesem Wert verkaufen lediglich abgeschriebene Kraftwerke. Sobald diese aus dem Markt fallen, müssen sämtliche Erzeuger zu den Vollkosten ihrer Produktion verkaufen. Das wird unweigerlich eine Steigerung des Strompreises auf 7 Cent bringen. Mit jedem Cent Steigerung des Strompreises explodiert der PV-Markt weiter. Ein Anstieg war bereits vor dem Ausbruch von Corona zu sehen. Dieser wird definitiv wieder kommen, sobald die Krise überstanden ist.



Bild: Auch die 1332 kWp starke PV-Anlage der HanseMerkur Grundvermögen AG am Campus 21 wird in diesem Jahr fertiggestellt – in Zusammenarbeit mit Wien Energie.

Last modified onMontag, 22 Februar 2021 12:17

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