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Sprung in den Datenteich

Die Welt der Mobilkommunikation hat sich geändert. Vieles erscheint längst nicht mehr so rosig, wie noch in den ersten Lebensjahren des Mobilfunks gefeiert wurde. \"So etwas wie einfach verdientes Geld gibt es am Mobilfunksektor nicht“, sagt Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt, Bereichsleiter Communications, auf dem 3GSM World Congress in Barcelona. Die Branche scheint nun die exponential hohen Wachstumszahlen der vergangenen Jahre endgültig begraben zu haben und in der beinharten Realität angekommen zu sein. Das Umsatzwachstum der Provider und Netzlieferanten ist auf normalem Niveau, neue Mitbewerber wie etwa Diskontanbieter machen der etablierten Mobilfunkbranche das Leben schwer. Noch dazu scheinen die Endkunden undankbar: Die teuren Investitionen in die Netze und deren Applikationen werden mittlerweile als \"Commodity“, als Selbstverständlichkeit, angenommen. Und niemand in der Branche glaubt noch, dass sich diese Gewohnheit jemals wieder umkehren wird. Im Gegenteil: die Umsatzschraube wird weiter angezogen. Nun bekommen es die Mobilfunker mit jener Bedrohung zu tun, die bereits die Festnetzbranche erzittern lässt: Flatrates. Künftig angebotene Pauschalgebühren für das monatliche Telefonieren bezeichnen die Evolution vom Status des Erbsenzählers zum geschätzten, umsorgenden Dienstleister - dem wahren Provider. Auch den Mobilfunkern steht nun der Fokus auf die Flatrate bevor, sehen etwa Skype und Hutchison. Die auf den ersten Blick ungewöhnlichen Partner - hier ein aggressiver Internettelefonieanbieter, dort ein um Umsätze kämpfender Mobilfunker - tun sich zusammen, um gemeinsam Höheres zu erreichen. Den Skype-Telefonieclient wird es künftig auf den Mobiltelefonen von Hutchison vorinstalliert geben. Nach einer ersten Testphase in Schweden soll das Bundle in allen europäischen Ländern ausgerollt werden, in denen der Hongkonger UMTS-Vorreiter tätig ist. \"Auch österreich ist definitiv auf unserer Liste“, bekennt Christian Salbaing, Managing Director Hutchison 3G Europe. Ressentiments gegenüber den Umsatzkiller Internettelefonie hat Salbaing keine: \"Uns geht es nicht darum, plötzlich Gratisgespräche, sondern Mehrwert für den Kunden anzubieten.“ Skype-Gründer Niklas Zennström stößt ins gleiche Horn: Die alten Tage der starren Gesprächsverrechnung seien endgültig vorbei. Der neue Umsatztreiber ist \"Access“.

Milliardenpotenzial. Für die jüngste Verdoppelung seiner Nutzerzahlen auf eine Milliarde Kunden im Jahr 2001 hatte der Festnetzmarkt ganze elf Jahre benötigt. Lediglich zwei Jahre, von 2000 bis 2002, waren dagegen nötig, um die Zahl der Mobilfunkkunden weltweit auf eine Milliarde zu bringen. \"So viel zu Kapitel eins der Erfolgsgeschichte“, resümiert Ganswindt. Im zweiten, derzeit stattfindenden Teil des Geschichtsunterrichts, werde die Mobilwelt nun den Festnetzbereich massiv überholen, prognostiziert der Siemens-Manager. 2008 werde es mit weltweit drei Milliarden Handykunden doppelt so viele Nutzer geben, wie am Festnetzmarkt. Dass der diesjährige 3GSM-Mobilfunkkongress von \"cosy“ Cannes, in der bei der Vorjahrsmesse bereits enorm Platzmangel geherrscht hatte, nach \"big“ Barcelona umgezogen ist, deutet er als Zeichen für den anhaltenden Aufwind in der Mobilindustrie. \"Mobility ist nun der Megatrend des Jahrzehnts“, so Ganswindt. Die Preise werden weiter fallen, die Provider höhere Kapazitäten bieten und komplett neue Abrechnungsmodelle kreieren.

Auch T-Mobile-Chef René Obermann findet sich in einer veränderten Mobilfunkwelt wieder. Man hat sich bereits \"weit von Cannes weg bewegt“. Heißt: Das Geschäftspotenzial ist noch größer geworden. Zwar fallen die Mobilfunktarife unaufhörlich, doch besitzen bereits 16 Prozent der Kunden ein Zweithandy und zwei bis drei Prozent sogar ein drittes Mobiltelefon. Zudem werde nun Machine-to-Machine-Communication zu einem relevanten Faktor, sagt Obermann. Siemens-Manager Norbert Muhrer, President Communication Wireless Modules, ortet gar bis zu 50 Milliarden Punkte weltweit, an denen nach heutiger Einschätzung SIM-Karten Verwendung finden könnten. Einige Beispiele: Tracking-Lösungen in der Containerlogistik, Industrielösungen bei Pumpensteuerungen sowie in der überwachung und Datenübermittlung bei Pipelines, Stromzählern oder im Securitybereich. Und die Einbettung einer SIM-Karte in die Fahrzeugelektronik von PKW ist dabei nicht nur vorstellbar, sondern bereits realisiert: Als Basis für Pay-as-you-drive-Lösungen innerhalb verbrauchsorientierten Tarifierungssystemen bei KfZ-Versicherungen. Zwar sind Muhrer zufolge in der M2M-Communication bestenfalls Monatsumsätze pro SIM-Karte von vier bis acht Euro erzielbar - doch sorgen hier die erwartbar hohen Nutzermengen für das Leuchten in den Augen der Provider.

Abkehr von der Produktbesessenheit. Den neuen Möglichkeiten zum Trotz warnt T-Mobile-Chef Obermann vor einer all zu großen Produktfixierung. Die Branche habe ihre Hausaufgaben gemacht - \"Jetzt geht es nicht mehr um den Launch weiterer Produkte, sondern um die Lieferung und das Bereitstellen von Services“, so der Telekom-Manager. Das Credo: UMTS ist schon wieder ein alter Hut, Nachfolgetechnologien wie HSDPA sollen nun die Plattformen für neue Dienste stützen. All dies hat man freilich auch schon in den vergangenen Jahren gehört. Und auch in Barcelona wurde der Besucher mit dem Mobilfunktrend des Jahres 2005 erneut konfrontiert: Mobile-TV. Jetzt aber geht es wirklich los, formiert sich die Branche zum Schulterschluss - ohne dabei einen sinnlosen \"Overhype“ einleiten zu wollen, wie es bei T-Mobile heißt. Der Fernsehdienst am Handy symbolisiere vielmehr die Abkehr vom reinen Voice-Geschäft, beschreibt dies Obermann. T-Mobile Chief Marketing Officer Ulli Gritzuhn, der ebenso wie seine Branchenkollegen für die Abkehr von der klassischen, minutenbasierten Telefonrechnung - \"sie ist ein ständig wiederkehrendes Schockerlebnis für die Kunden“ - plädiert, hält Services wie Mobile-TV ebenfalls für eine großartige Zukunft. \"Es gibt keinen Zweifel“, sagt Gritzuhn, \"dies wird ein Renner“. Allerdings müssten es die Anbieter verstehen, den Kunden nicht nur Recyclematerial zu liefern, sondern auf Exklusivität zu setzen. \"Mobile-TV wird passieren“, sagt T-Mobile. Und es passiert bereits.

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