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Am Scheideweg

Von Rainer Sigl

Apples iPhone ist ein Erfolg. Die Handybenutzer der Welt stürzen sich in Massen auf das durchdesignte Gadget, das den Lifestyle von Apple und iPod in die Welt der mobilen Telefonie bringt. Die kritischen Stimmen, die sowohl die proprietäre Architektur als auch die massiven Einschränkungen in Apples Monokultur bemängelten, verhallen angesichts des schicken Designs, der einfachen Bedienung und des Lifestylefaktors. Wie in der Vergangenheit an dieser Stelle bereits angemerkt, wandelt sich Apple immer mehr zum One-Stop-Shop für Fashion-Victims der Unterhaltungselektronik - und lässt die klassische Konkurrenz alt aussehen.

Zumindest auf dem erst neu erstürmten Markt der Mobiltelefonie lässt aber eine Ankündigung Googles aufhorchen: Mit \"Android\" stellt das Suchmaschinenimperium seine Pläne vor, ein völlig freies, auf Linux basierendes Smartphone-Betriebssystems in den Markt bringen zu wollen, das bereits von 33 Größen der Mobiltelefoniebranche, vereint in der jungen \"Open Handset Alliance\", unterstützt wird, unter ihnen Motorola, LG, Samsung, HTC und T-Mobile. Natürlich, so wurde sogleich von Google-Chef Eric Schmidt treuherzig versichert, wolle man kein \"gPhone\" als direkte Konkurrenz zu Apples Handy entwickeln; dennoch muss die Aussicht einer einheitlichen, offenen Betriebssystemplattform für unzählige verschiedene Handytypen bei Apple, Microsoft und Blackberry-Hersteller Research in Motion alle Alarmglocken schrillen lassen. Es scheint fast, als wäre Googles \"Android\" eine direkte Reaktion auf die Enttäuschung vieler iPhone-User: Die Open Handset Alliance hat sich einem offenen Betriebssystem auf Open-Source-Basis verschrieben, ein Garant für unzählige, verschiedenste Programme auch aus der Benutzerbasis, die nach Belieben auf den Endgeräten zur Anwendung gelangen können. Apples harte Updatepolitik hatte ja eben dieses \"Modding\" seiner proprietären iPhone-Architektur nicht nur untersagt, sondern de facto mit Garantieverlust und Unbrauchbarmachung per Firmware-Update verhindert. Ab Herbst 2008 soll es erste Handys mit dem Google-Betriebssystem auf dem amerikanischen Markt geben.

Während Google also konsequent den Weg zu freien, nicht proprietären Systemen für die Massen weiter beschreitet, will Amazon mit einer technischen Eigenentwicklung eine andere Richtung einschlagen. Der \"Kindle\", ein dezidierter eBook-Reader, soll nichts weniger als \"der iPod für Bücher\" werden. In den USA ist der 399 Dollar teure, taschenbuchgroße PDA, der als Display auf nur schwarzweiß-fähiges \"Electronic Paper\" ohne Hintergrundbeleuchtung setzt, bereits ausverkauft, in Europa wird das Gerät erst im Lauf des Jahres 2008 erhältlich sein. Bis zu 200 E-Books im proprietären, stark mit DRM befrachteten Kindle-Format können per W-LAN via Amazons eigene Kindle-Webshop auf den Reader geladen werden. Das Dilemma des gehypten, aber auch vielgescholtenen Geräts ist offensichtlich: Während Amazon einerseits erkannt hat, dass der Vertrieb von Literatur zukünftig womöglich nicht mehr ausschließlich im angestammten Papierformat stattfinden wird, will man sich andererseits natürlich eine ähnliche Entwicklung wie in der Musikindustrie ersparen: Digitale Daten, seien es MP3s oder Texte, zeichnen sich nun mal durch ihre einfache Kopierbarkeit aus. Mittels DRM und strikt proprietären Formaten will Amazon den Trend zum eBook zwar nutzen, verwehrt aber zugleich dem Leser durch strikte Kopierschutzmaßnahmen zahllose Rechte, die er im Papierformat für selbstverständlich erachtet. Die gekauften eBooks können weder verliehen noch weiterverkauft werden, und nicht-proprietäre Formate, wie pdf, werden gar nicht oder nur unzureichend unterstützt.

\"Android\" und \"Kindle\" stehen somit programmatisch für den Scheideweg, an dem sich die Welt der Consumer-Elektronik befindet. Frei oder proprietär? Gratis oder DRM? Eines sollten die Erfahrungen der vergangenen Jahre gelehrt haben: Die Geschäftsmodelle der Zukunft unterscheiden sich stark von denen der Vergangenheit - und Wahlfreiheit ist ein vom Konsumenten extrem hoch geschätztes Gut geworden. Gut für Google - schlecht für Amazon.

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