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Bitte lächeln

Sie hießen »Bittsteller«, in der Verwaltung liebevoll »Normbefohlene«, die gebückt vor dem gestrengen Sachbearbeiter vorsprechen durften. Man hatte es bei Post, Telekom und Strom nicht leicht - mit seinen Anfragen, Beschwerden oder gar Anregungen. Doch in den letzten Jahren hat sich das Kundenbild bei den Unternehmen und Behörden geändert: Noch nie in der Geschichte wurde so viel Wert auf die Beziehung zu den Kunden gelegt wie heute. Auch wenn der Kunde nur Teil einer großen Masse ist. Der Grund ist einfach: Die Unternehmen können gar nicht anders. So ist die Nachfragemacht der Kunden durch Angebotstransparenz und Wettbewerb erheblich gewachsen. Kein Unternehmen im Wettbewerb kann es sich heute leisten, dieser Entwicklung indifferent gegenüberzustehen. Denn immer noch ist einer der Hauptgründe für die Abwanderung von Kunden mangelnder Kundenservice. Internationale Studien belegen, dass in rund 70 Prozent der Fälle schlechter Kundenservice für die Abwanderung von Kunden zur Konkurrenz verantwortlich ist. Dies ist für Unternehmen fatal: Die Neugewinnung von Kunden ist erheblich teurer als das Binden der bestehenden Kundschaft.

Emotionale Komponente wird oft ausgeblendet. »In einem Markt auswechselbarer Produkte und Dienstleistungen wird die Loyalität der Kunden maßgeblich vom Customer Service bestimmt«, bestätigt Gerhard Wanek, Geschäftsführer des Serviceberaters Pidas. Waneks Wurzeln liegen tief in der Kundenkommunikation. Vor Jahren war er selbst Leiter des Bereichs Kundenservice bei einem großen österreichischen Mobilfunker. Damals zeigte bereits eine andere Branche auf, was Dienst am Kunden wirklich heißt: der Versandhandel. »Aufgrund des Fehlens physischer Kundenkontakte waren die Versandhäuser immer schon auf Kundenfreundlichkeit und Mehrwert für den Kunden auf allen Kommunikationswegen ausgerichtet«, schwärmt der Serviceexperte. Otto, Quelle und Co hatten frühzeitig erkannt, dass guter Kundenservice vor allem auch Freundlichkeit im Umgang mit dem Gegenüber bedeutet. Eine Erkenntnis, die bis heute für Kontroversen sorgt. So zeigt eine aktuelle OGM-Studie in Pidas-Auftrag, dass in Sachen Kundenzufriedenheit erheblicher Handlungsbedarf bei den Unternehmen besteht und die Konsequenzen mangelnden Kundenservices real zum Kundenverlust führen. »Unter Kundenfreundlichkeit wird im Allgemeinen Erreichbarkeit und technische Kompetenz verstanden. Ausgeblendet wird dagegen die emotionale Komponente, die menschliche Dimension«, so Wanek. Dieses Bild stünde konträr zur Wahrnehmung bei den Kunden selbst, heißt es bei OGM. Denn diese würden Kompetenz und Erreichbarkeit voraussetzen und außerdem größten Wert darauf legen, einfach freundlich behandelt zu werden.

Kunden wollen Lösungen. Experten fordern nun eine entsprechende Verankerung des Kundenservices im Wertschöpfungsprozess von Unternehmen und entsprechende Managementstrategien. In immer mehr Branchen ist der Kundenservice nicht länger als Zusatzgimmick zu einem Produkt oder einer Dienstleistung zu sehen, sondern bildet den Kern des Wertschöpfungsprozesses: Kunden wollen nicht bloß ein Produkt als solches erwerben, sondern eine Lösung. Als Beispiel wird gerne die Tourismusindustrie genannt: Dort ist die Kultur des freundlich gehaltenen Kundenkontaktes wesentlich verankert, die Branche zieht aus guten Beziehungen unmittelbaren Vorteil. Die Prioritätensetzung in der Wertschöpfungskette läuft in anderen Branchen heute freilich noch anders. Dort werden in Bereichen wie dem Vertrieb die Mitarbeiter umfassend geschult und Wert auf Soft Skills und emotionale Intelligenz gelegt. »Das Gleiche sollte auch für den Servicemitarbeiter gelten«, empfiehlt Wanek.

Noch immer wird das Thema Kundenservice zu analytisch gesehen: Wenn Unternehmen heute Qualitätslevels definieren, dann liegen diese in technischen Bereichen zu Erreichbarkeit, Reaktionszeiten oder Quoten in der Antwortgebung. Richtlinien für Freundlichkeit und Beziehungsmanagement fehlen meist. Dabei wäre dieser Serviceteil leicht umzusetzen, so der Experte: »Freundlichkeit heißt bereits, dem Kunden stets mit einem imaginären Lächeln zu begegnen und ihn mit seinem Namen anzusprechen.« Noch beginnen viele Unternehmen erst, den Wert ihrer Kunden und auch Möglichkeiten im Produktvertrieb, die ein Kundenkontakt überhaupt bietet, zu erkennen. Der Trend geht aber in die richtige Richtung. »Wir leben ja nicht mehr in der Steinzeit, wo der Kunde Bittsteller ist«, heißt es selbstbewusst in Serviceorganisationen. Sogar die Verwaltung spürt den neuen Zeitgeist. Auch dort passiert es zunehmend, dass der Bürger bereits als Kunde gesehen wird. »Dass Veränderungen in einer Beamtenkultur länger benötigen als in einem Unternehmen, das seit 20 Jahren im Wettbewerb steht, ist aber natürlich«, weiß man in der Branche.

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