Nach einjähriger Pause gibt es ihn wieder – den Sanierungsscheck des Bundes. Bis 2014 stehen jährlich 100 Millionen Euro Fördergelder für die thermische Sanierung zur Verfügung. Der mehrgeschoßige Wohnbau spielt dabei noch eine untergeordnete Rolle. Aber das Perpetuum mobile Sanierungsscheck bewegt sich weiter.Von Karin Legat Klimaschutz im Gebäudewesen gibt es nicht zum Nulltarif – weder für Eigentümer noch für Mieter. Aber es gibt in den nächsten vier Jahren wieder ein Zuckerl für die Umsetzung thermischer Sanierung. Der Sanierungsscheck wird neu ausgerollt. Positiv bewerten Ökologieinstitute und Wirtschaft dabei den langen Zeitraum zwischen 2011 und 2014, denn lange Betrachtungszeiträume würden Nachhaltigkeit ergeben. Preise könnten stabil gehalten werden. Geschlossen negativ reagieren Fachleute auf das Förderbudget in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich. «Österreich hat sich zu einer Sanierungsrate von Gebäuden von drei Prozent pro Jahr verpflichtet. Mit dem Fördervolumen von 100 Millionen Euro ist diese Sanierungsquote nicht zu erreichen, wir benötigen eine Verdreifachung des Budgets. Dadurch könnte ein Investitionsvolumen für die Gebäudesanierung von rund zwei Milliarden Euro inklusive aller positiven Effekte im Beschäftigungsbereich ausgelöst werden», stellt Franz Roland Jany, Geschäftsführer der Gemeinschaft Dämmstoff Industrie GDI, im Namen der überparteilichen Initiative UMWELT+BAUEN fest.Höherer Sanierungsscheck durch Auflösung von Rücklagen?Die Finanzierung des 1,2 Milliarden- (viermal 300 Millionen) Sanierungsschecks macht Jany kein Kopfzerbrechen. «Derzeit greift die Bundesregierung auf Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer zurück. Aber es gibt Alternativen. Wir haben diese vorgestellt, sind dabei aber leider auf taube Ohren gestoßen.» Bund und Länder könnten sich erstens die Förderkosten teilen. Die Länder würden im Rahmen der thermischen Sanierung ohnehin durch höhere Steuereinnahmen profitieren. Sie finanzieren den Scheck aus Wohnbaufördergeldern. Auf Bundesebene tragen alle betroffenen Ministerien mit der Auflösung von Rücklagen zum Sanierungsscheck bei. Denkbar ist auch eine Bundeswohnbauanleihe, zweckgebunden für thermische Sanierung. Dazu gibt es erfolgreiche Beispiele in der Schweiz und in Deutschland. Eine aufkommensneutrale Ökosteuer wäre eine weitere Finanzierungsvariante. Finanzielle Unterstützung ist für die Gemeinschaft Dämmstoffindustrie Österreich in Übereinstimmung mit dem WIFO und anderen Bauexperten das Um und Auf der thermischen Sanierung. «Es gibt natürlich Alternativen zum Sanierungsscheck, etwa verschärfte bauordnungsrechtliche Wärmeschutzanforderungen, aber auch hier muss es ein Unterstützungszuckerl geben. Energieeinsparung muss vor allem beim Bestand stattfinden. Wir könnten etwa alle zwei Jahre eine kleine Anpassung vornehmen,» schlägt Jany vor. Bei der Enquete «Umwelt und Bauen – Mit umweltwirksamen Investitionen den Wirtschaftsstandort Österreich und die heimische Kaufkraft sichern» am 3. Februar 2011 im Parlament sollen alle notwendigen Maßnahmen mit der Bundesregierung diskutiert und geklärt werden. Bei aller Begeisterung für die Win-win-Situation durch den Sanierungsscheck muss es eine Branche geben, die durch die thermische Sanierung Einbußen erleidet.Experten sehen die Energieversorger als Betroffene, relativieren das aber gleich wieder. Denn durch einen geringeren Energieverbrauch müsse auch deutlich weniger Energie importiert werden und es herrsche mehr Energieunabhängigkeit. Heimische Energieunternehmen könnten sich auf die Weiterentwicklung alternativer Energielösungen konzentrieren, sich als sichere Energielieferanten präsentieren und damit ihre Wertschöpfung steigern.Temporärer IFB für mehrgeschoßige WohnbautenDeutschland ist Österreich im Bereich thermischer Sanierung zumindest einen Schritt voraus. Seit 1.1.2009 besteht die Verpflichtung zur Dämmung der obersten Geschoßdecke und zum Wechsel des Heizkessels, wenn er älter als 20 Jahre alt ist. In Wien wird bereits darüber diskutiert, hört man aus Expertenkreisen. Eine thermische Sanierungsverpflichtung ist laut WIFO und WKO wie ein verordnetes Konjunkturprogramm. Damit auch der mehrgeschoßige Wohnbau angesprochen wird, wäre ein temporärer Investitionsfreibetrag ein sinnvoller Anreiz, heißt es Richtung Finanzministerium. Ein IFB wäre laut WIFO ein sich selbst weiterentwickelndes Mobile, ein Perpetuum mobile. Wenn der Staat 100 Millionen in die thermische Sanierung investiert, verdoppelt sich durch Steuern, Sozialabgaben, geringere Arbeitslosenkosten, weniger CO2-Emissionen der Rückfluss auf 200 Millionen. Werden diese wieder eingesetzt, resultieren daraus 400 Millionen usw. Nachhaltig ist auch die Aufnahme von Wohnungseigentümergemeinschaften als Förderungswerber. Sie benötigen zwar einerseits größere Fördervolumina, bestechen aber andererseits durch professionellere Antragsaufbereitung, Vermeidung zivilrechtlicher Probleme sowie Erzielung hoher Einspareffekte.Prinzip ThermoskanneMehrgeschoßbauten bilden derzeit noch einen geringen Teil der Antragsteller, das Augenmerk liegt auf Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Bauperiode 1945 bis 1980, denn diese haben die höchsten Energieeinsparpotenziale. Vor einer Sanierung weisen Einfamilienhäuser im Schnitt 270 kWh/m²a auf, Mehrfamilienhäuser 145 kWh/m²a. Durch eine qualitativ hochwertige Gesamtsanierung lassen sich Energiereduktionen zwischen 75 und 85 Prozent erzielen. Durch Wirkungsgradverbesserungen bei neuen Heizanlagen können zusätzlich 20 Prozent an Heizenergie eingespart werden. CO2-Einsparungspotenziale ergeben sich auch durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger wie thermischer Solaranlagen, Holzzentralheizungen oder Wärmepumpen. Die Investition in thermische Dämmung rechnet sich für die Hauseigentümer bald. Die oberste Geschoßdecke amortisiert sich nach zwei bis fünf Jahren, die Fassade beispielsweise nach acht bis 15 Jahren.In der raschen Abwicklung der Förderanträge und in der raschen Umsetzung der thermischen Sanierung im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser liegt der gravierende Vorteil gegenüber dem mehrgeschoßigen Wohnbau. «Diskussionsprozesse sind zu beobachten, die oft Monate dauern. Alle müssen an einem Strang ziehen, daran scheitert es manchmal. Rechtlich gibt es viele Hindernisse, die wir seit Jahren abzubauen versuchen. Erst nach vollständiger Klärung kann das Objekt für eine thermische Sanierung eingereicht werden,» erklärt Jany. Einen Erfolg gab es im Jahr 2000. In das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wurde eine «Contractingklausel» eingearbeitet, die eine Erhöhung der Erhaltungs- und Verbesserungsbeträge brachte. «Im gemeinnützigen Wohnbau haben wir eine Sanierungsrate von vier Prozent erreicht.» Die durchschnittliche Sanierungsquote von Gebäuden liegt dagegen nur bei ein Prozent. «Österreich hat sich zu einer Sanierungsrate von drei Prozent pro Jahr verpflichtet. Das Fördervolumen der Sanierungsaktion muss daher auf zumindest 300 Millionen erhöht werden. Dadurch könnte ein Investitionsvolumen für die Gebäudesanierung von rund zwei Milliarden Euro ausgelöst werden,» stellt auch Josef Muchitsch, UMWELT+BAUEN-Koordinator, Nationalratsabgeordneter und stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, fest.Triple DividendFür Margarete Czerny vom WIFO schafft die thermische Sanierung eine einzigartige Win-win-Situation. «Thermische Sanierung schafft ein Drei-Säulen-Modell. Gewinner sind die Ökologie, die Wirtschaft und jeder Einzelne», betont Czerny und bringt ein anschauliches Beispiel aus der Praxis. «Die Investition von einer Milliarde Euro schafft 12.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Im Vergleich dazu schafft diese Investition in den privaten Konsum 4.000, in den Export rund 6.000 Jobs. Der größte Hebeleffekt liegt zweifelsfrei in der thermischen Sanierung.» Für Jany ist zusätzlich die Wertsteigerung des Gebäudes essenziell. «Durch eine thermische Sanierung erhält das Gebäude eine zusätzliche Haut und ist damit thermischen Schwankungen in sehr geringem Maß ausgesetzt, das bedeutet weniger Rissanfälligkeit, weniger Frost, weniger bauphysikalische Belastungen wie Feuchte, und Schimmel. Das gesamte Gebäude wird stabiler, kompakter.» Davon profitiert jeder Hauseigentümer, egal, ob es sich um ein Einfamilienhaus, um einen mehrgeschoßigen Wohnblock oder ein Firmenobjekt handelt.Klima: Aktiv bauenEnergieausweis und bauphysikalische Eigenschaften der thermischen Sanierung sind Ausbildungssegmente, die laut Wirtschaftsfachleuten umgehend in die Baumeisterausbildung aufgenommen werden müssen. Derzeit findet ökologische Bauausbildung nur zum Teil statt. Es gibt zwar genügend Aus- und Weiterbildungsangebote, diese sind aber aufgrund des Zeitfaktors bei Planern, Architekten und Baumeistern wenig beliebt. Fortbildung wird laut GDI erst dann umgesetzt, wenn sie verpflichtend ist.Sanierungsprojekt «Gründerzeit mit Zukunft»Parallel zum Sanierungsscheck werden derzeit Gründerzeithäuser unter die Lupe genommen. Dazu zählen Arbeiterwohnhäuser in der Vorstadt und gründerzeitliche Palais in der Innenstadt ebenso wie Wohngebäude und Gründerzeitgebäude mit gemischter Nutzung. Rund 15.500 Gründerzeitgebäude – Anlagen, die nach 1840 errichtet wurden – fallen derzeit in den Wiener Gebäudegesamtbestand. Das sind zehn Prozent. Hier schlummern ungeahnte Sanierungspotenziale. Unter Anwendung innovativer technischer und organisatorischer Lösungen soll eine gesamtheitliche Modernisierung von Gründerzeitgebäuden inklusive der energetischen Optimierung sowie der Entwicklung innovativer Fenster- und Dämmlösungen erreicht werden. Gründerzeithäuser sollen künftig einen Beitrag zum CO2-neutralen Gebäudesektor leisten. Gleichzeitig soll das thermisch sanierte Gründerzeithaus den architektonischen und stadtgestalterischen Anforderungen gerecht werden. Dazu werden mehrere Demonstrationsprojekte in Wien umgesetzt, die bautechnische, organisatorische und klimaschonende Lösungen zum Angreifen und Nachahmen zeigen sollen. Mit diesem Sanierungsprojekt werden ebenso verschiedene organisatorische Lösungen zur umfassenden Bewohnerinformation und Bewohnerbetreuung während des gesamten Sanierungsprozesses umgesetzt, die auch dem mehrgeschoßigen Wohnbau zugute kommen können. Das Projekt «Gründerzeit mit Zukunft» läuft bis 2014 und wird im Rahmen des Forschungs- und Technologieprogramms «Haus der Zukunft Plus» des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert sowie von der Stadt Wien unterstützt. Mit den Ergebnissen soll laut BMVIT ein Wachrütteln von Eigentümern, Hausverwaltungen, Planern und Architekten und die Vernetzung und Verbreitung auf nationaler und internationaler Ebene bewirkt werden. >> Sanierungsscheck 2009 - Maßnahmenkategorien:> Maßnahme > Anzahl Förderfälle > Gesamte Investitionskosten > Durchschnittliche InvestitionskostenEnergieausweiserstellung 11.460 7.488.937 653Dämmmaßnahmen Dach, Keller 15.889 263.596.494 16.590Sanierung/Tausch Fenster/Türen 9.847 166.890.235 16.948Maßnahmen Heizungssystem 1.999 42.809.866 21.416Gesamt 39.195 480.785.532 55.607Quelle: WIFO 2010