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Wie schlechte Prozesse Unternehmen gefährden

Wie schlechte Prozesse Unternehmen gefährden

In der Bauwirtschaft wird auf die Produkt- und Ausführungsqualität deutlich mehr Wert gelegt als auf die Prozessqualität. Dabei sind es gerade die internen Abläufe und Strukturen, die in einem weitgehend normierten und regulierten Umfeld große Wettbewerbsvorteile bieten.

Die Produkt- und Ausführungsqualität sind in der heimischen Bauwirtschaft unbestritten gut. Weit weniger erfreulich ist es um die Unternehmensqualität bestellt. Dabei würde vielen Betrieben ein prüfender Blick auf die eigene Organisation, die internen Prozesse und Abläufe sicher nicht schaden. Denn laut Kreditschutzverband KSV1870 sind deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmensinsolvenzen auf interne Fehler zurückzuführen. Bei einer Vielzahl von insolventen Firmen sind laut KSV eklatante Mängel in der Organisation feststellbar: Apparate sind aufgebläht, Zuständigkeiten und Abgrenzungen unklar sowie die innerbetrieblichen Potenziale in Sachen Produktivität und Kostensenkung nicht ausgeschöpft. Auch das Bewusstsein, laufend seine Prozesse zu verbessern, fehlt bei vielen Unternehmen. 

Erhöhte Insolvenzgefahr

Während die Folgen einer schlechten Produkt- und Ausführungsqualität mit unzufriedenen Kunden, einem schlechten Image und daraus resultierend rückläufigen Geschäftszahlen relativ einfach nachvollziehbar sind, sind die Folgen schlechter Unternehmens- und Prozessqualität schwerer zu greifen. »Eine schlechte Prozessqualität hat komplexere und oftmals erst mittel- und langfristig spürbare Auswirkungen«, erklärt Alfred Leitner, Branchenmanager Bauwesen bei der Zertifizierungsorganisation Quality Austria – Trainings, Zertifizierungs und Begutachtungs GmbH. So kann eine mangelhafte oder riskante Kalkulation den wirtschaftlichen Erfolg ebenso gefährden wie ein schlechtes Zeitmanagement oder eine ungenügende Koordination. Auch ständige Änderungen in der Ausführung und Ablaufplanung haben Mehraufwand zur Folge. Eine hohe Mitarbeiterfluktuation führt zu Unsicherheit bei den Kunden und Know-how-Verlust. »Das alles gefährdet Unternehmen nachhaltig in ihrer Substanz und erhöht die Insolvenzgefahr deutlich«, sagt Leitner.

Bild oben: »In nicht organisierten Unternehmen treten Fehler und Mängel viel öfter auf als bei Unternehmen mit einem Managementsystem. Das bedeutet einen Mehraufwand und höhere Kosten«, sagt Alfred Leitner, Branchenmanager Bauwesen bei Quality Austria.

Dennoch scheuen sich viele, vor allem kleine Unternehmen, davor, ihre Organisation mit klassischen Managementsystemen auf eine strukturierte Ebene zu heben. Die Angst vor Aufwand und Kosten ist groß, und laut Leitner auch nicht gänzlich unbegründet. »Für Unternehmen, die schlecht organisiert sind und über kein Managementsystem verfügen, braucht es schon einiges an Aufwand, um Struktur ins Unternehmen zu bringen. Das ist neben dem Tagesgeschäft eine echte Herausforderung.« Das Risiko, das Thema nicht in Angriff zu nehmen, ist aber deutlich größer als die Gefahr, während der Restrukturierungsphase operativ ins Hintertreffen zu geraten. »In nicht organisierten Unternehmen treten Fehler und Mängel viel öfter auf als bei Unternehmen mit einem Managementsystem. Das bedeutet einen Mehraufwand und höhere Kosten«, erklärt Leitner.

Weniger Fehler

Auf der anderen Seite bringt die Implementierung eines Managementsystems für Unternehmen einen unmittelbaren Mehrwert, ist Leitner überzeugt. »Mit einem Managementsystem passieren deutlich weniger Fehler aus organisatorischen Unzulänglichkeiten. Es verhindert, dass Dinge vergessen werden oder dass falsch oder nicht ausreichend kommuniziert wird. Und auch Redundanzen werden vermieden. Das spüren die Unternehmen sofort.« Wird das Managementsystem auch noch zertifiziert, ist gleichzeitig ein Mindestmaß an Qualität sichergestellt. Denn das Vorhandensein eines Managementsystems sagt noch nichts über die Qualität aus. »Es gibt natürlich auch schlechte Managementsysteme oder reine Feigenblätter. Aber mit einer Zertifizierung gehen bestimmte Mindestanforderungen einher, dazu kommen die jährlichen Audits. Blender haben da keine Chance«, ist Leitner überzeugt.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Spricht man von Prozessen und Organisation, kommt man aktuell an Lean Management und Lean Construction nicht vorbei. Ein Thema, das bei Leitner ein Schmunzeln hervorruft. »Lean Management ist das, was wir seit vielen Jahren machen. Das ist nur eine neue, modern klingende Verpackung.«

n Wahrheit ist Lean Management nichts anderes als Teil eines hoch effizienten Managementsystems. Da wie dort geht es um laufende Verbesserungen und Sicherstellung, mit schlanken Abläufen so effizient wie möglich zu agieren. Kurios ist laut Leitner lediglich der Stellenwert von Lean Management. »Viele Unternehmen stecken in Lean Management deutlich mehr Human Ressources als in das gesamte Managementsystem.«

Best Practice

Ein Unternehmen, das seit vielen Jahren auf zertifizierte Managementsysteme setzt, ist die Kirchdorfer Gruppe. Den Anfang machte die Fertigteiltochter Maba bereits im Jahr 2000, andere Tochterunternehmen sollten im Laufe der Jahre folgen. »Ab einer gewissen Größe und Komplexität ist ein Managementsystem unverzichtbar. Strukturen, Hierarchien und Prozesse müssen identifiziert und gemanagt werden«, erklärt Andreas Hermann, Qualitätsmanager der Kirchdorfer Gruppe. Eine Zertifizierung wie die ISO 9001 gibt dabei den Rahmen vor. »Es ist eine Art Checkliste, worauf man achten muss und was man nicht vergessen darf.« Hilfreich sind laut Hermann auch die jährlichen Audits, die einmal im Jahr eine Außensicht auf das Unternehmen, die Prozesse und Abläufe liefern.

Dass gut gemeinte Konzepte und entwickelte Managementsysteme ähnlich wie Unternehmensleitbilder oftmals für die Schublade produziert werden, wissen auch Leitner und Hermann. Und selbst in einem Unternehmen wie Kirchdorfer, wo das Thema prinzipiell einen hohen Stellenwert hat, ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit der laufenden Weiterentwicklung mal mehr und mal weniger ausgeprägt. »Gerade in der Hochkonjunktur, wenn die Auslastung hoch ist, rücken das Hinterfragen und die Weiterentwicklung von Organisation und Prozessen in den Hintergrund«, erklärt Hermann. Bei Kirchdorfer versucht man deshalb, die ruhigere Zeit des Jahres zu nutzen, um aus der abgelaufenen Saison zu lernen, die Prozesse für den nächsten Zyklus weiterzuentwickeln. Denn über die reine Produkt- und Ausführungsqualität lässt sich laut Hermann heute kaum mehr ein Wettbewerbsvorteil generieren. »Potenzial können jedoch noch die Prozesse mit der einhergehenden und anzustrebenden Effektivität und Effizienz bieten.«   

Last modified onMontag, 14 Oktober 2019 11:07

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